Die Bruderschaft der Woelfe
Gestalt
angenommen. Es handelte sich um einen »Klingenträger«, einen Krieger, dem die glitzernden, glühenden Runen fehlten, welche eine Magierin kennzeichnen.
Der Greifer lief auf vier Beinen. In den riesigen Vorderbeinen hielt er seine Waffe. Der Form nach hätte man diese Bestie vielleicht mit einer Krabbe vergleichen können, denn sie besaß sechs Beine und zwei enorme Pranken. Der dicke Außenpanzer wirkte von oben wie grauer Granit, hatte jedoch schlammbraune Stellen an den Beinen.
Der Kopf allein war so groß wie ein Karren, seine Form erinnerte an eine Schaufel, und darauf reihten sich schwenkende Fühler aneinander, die man Philien nannte, bis hinunter zu den Kiefern. Die Zähne glitzerten wie Quarzkristalle, und offensichtlich hatte das Ungeheuer keine Augen, Ohren und Nasenlöcher.
Abgesehen von den Atemgeräuschen gab der Greifer keinen Laut von sich. Er rannte einfach nur hinter den fliehenden Kriegern her, und zwar in der dreifachen Geschwindigkeit, die ein Gewöhnlicher erreichen konnte. Er lief an den Soldaten vorbei wie ein Schäferhund, der sich an den Kopf seiner Herde setzen will, und schien die Männer gar nicht töten, sondern einfach nur schneller sein zu wollen.
Kurz vor der Mauer hielt er an. Es baute sich vor den Flüchtlingen auf und ging an die Arbeit.
In den Pranken hielt er einen Ruhmhammer, dessen Griff aus schwarzem Greiferstahl gefertigt war und dessen Kopf sechshundert Pfund wog. Der Tradition gemäß nannte man ihn Ruhmhammer, da man damit »auf ruhmreiche Weise Menschen zu Brei schlagen« konnte.
Der erste Schwung des Ruhmhammers strich knapp über
den Boden, ohne ihn jedoch zu berühren, als würde ein Bauer mit der Sense durch Gras ziehen. Mit diesem Hieb verloren fünf Männer ihr Leben, und Roland sah ihre Körper dreißig Meter weit fliegen. Einem der armen Kerle wurde der Kopf vom Rumpf getrennt, der hundert Meter vom Kampfgeschehen entfernt im Donnestgreesee landete.
Ein paar Soldaten zogen die Waffen und wollten sich
verteidigen. Andere versuchten, an ihm vorbeizurennen. Und wieder andere flohen Hals über Kopf und versteckten sich in Hütten oder unter Büschen.
Der Ruhmhammer der Bestie hob und senkte sich mit
solcher Geschwindigkeit, solch erstaunlicher Anmut und Sicherheit, daß Roland zunächst nicht recht begriff, was er da beobachtete. Für ein Wesen von derartiger Größe bewegte sich der Greifer unglaublich graziös. Nach zehn Sekunden lagen fünfzig Männer tot am Boden, und das Ungeheuer hatte gerade erst mit seiner fürchterlichen Arbeit begonnen.
Voller Schrecken keuchte Roland, und sein Herz klopfte so laut, daß er fürchtete, es könne ihn als Feigling enttarnen. Er wandte sich um und betrachtete, wie die anderen reagierten.
Ein Junge neben ihm war vor Entsetzen erbleicht, stand ganz steif da und biß stoisch die Zähne zusammen. Roland fand, der Kerl hielt sich gar nicht schlecht, bis er den Urin sah, der am rechten Bein herabrann.
Vom Vorwerk hörte man das Bong! Bong! der Artillerie, die ihre Katapulte abschoß. Die riesigen Bolzen waren wie Pfeile geformt, allerdings aus dreißig Pfund Stahl geschmiedet. Die ersten beiden gingen knapp vor ihrem Ziel nieder und trafen Gruppen fliehender Krieger. Sofort hörte man, wie die Artilleristen mit dem Nachladen begannen.
Ihr Befehlshaber rief: »Wartet mit dem nächsten Schuß, bis die Greifer nahe genug herangekommen sind.«
Schon waren hundert Mann gestorben, und auf dem Mauern brüllte jemand: »Seht nur! Seht nur!«
Aus dem Nebel stürmten Greifer heraus, nicht zu Dutzenden oder zu Hunderten, sondern zu Tausenden.
Sie trugen riesige Klingen, Ruhmhämmer und »Ritterhaken«
– lange Stangen, an deren Ende sich große Haken befanden.
In ihrer Mitte liefen Magierinnen – glänzende Wesen, die über und über mit glühenden Runen bedeckt waren, so daß sie aussahen, als würden sie in Flammen stehen. Sie trugen Kristallstäbe, die aus sich selbst heraus leuchteten.
Das Donnern der Panzer, die über den Boden polterten, ließ die Mauern der Burg erzittern. Die entsetzten Schreie Gewöhnlicher erhoben sich zu einem ohrenbetäubenden Tumult. Rolands Beine wollten unter ihm nachgeben, ja er wußte gar nicht, wie er sich überhaupt noch aufrecht halten konnte.
Und nun spürte er, daß auch ihm der Urin am Bein
hinunterlief.
»Bei den Mächten!« brüllte Baron Poll.
Männer sprangen von den Mauern hinunter in den See, nur damit sie den Anblick der Greifer nicht länger ertragen
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