Die Bruderschaft der Woelfe
schien die Rune seine Haut zu versengen, und manchmal schnüffelte er an der Luft und fürchtete, sie würde riechen, als koche man sein eigenes Fleisch.
Das Entsetzen, welches die Rune der Todesmagierin
hervorrief, lag nicht nur in der Darstellung der Macht. Denn während sie sich der Vollendung näherte, verursachte sie eine beängstigende Veränderung auf dem Knochenhügel: Der karge Bewuchs aus Büschen und Gras begann zu dampfen
und verdorrte.
Das Gras wurde braun und ging ein. Und auch der
Mandelbaum im Hof neben der Mauer verwelkte. Das Laub trocknete aus und fiel ab.
Nachdem Raj Ahtens Krieger ihren Pferden und sich selbst die Rüstung angelegt hatten, blickte Roland erneut über das Land: Im Norden, Süden und Westen der Burg dampften die Pflanzen ebenfalls und starben ab.
Die Männer von Carris benannten den Knochenhügel in
»Thron der Ödnis« um. Was die Burg selbst betraf, so schlugen manche in verbittertem Flüsterton den Namen »Stall des Schlachters« vor. So viele Menschen, wie hier versammelt waren, mußten die Greifer für mindestens zwei Monate mit Nahrung versorgen, was hingegen schwer abzuschätzen war, da der Anmarsch von Greifern aus dem Süden kein Ende nahm. Mittlerweile fühlten sie sich wie Spanferkel, die für die Tafel der Greifer bestimmt waren.
Eine Zeitlang suchte Roland hoffnungsfroh den Osten ab, wo die schwache Sonne das Wasser beschien. Noch immer sah er kein Zeichen von Booten. Roland umklammerte seinen Dolch und hätte ihn fast gezogen.
Die Greifer bauten. Aber sie griffen nicht an.
»Vielleicht lassen sie uns in Ruhe«, wähnte Roland.
»Womöglich haben sie einen anderen Plan…«
»Der Knochenhügel, der zieht sie an«, sagte ein Mann hinter ihm. Es handelte sich um einen Bauern, dessen drahtiger Bart an eine Ziege erinnerte. Morgens hatte er sich als Meron Blythefellow vorgestellt, und er versah seinen Dienst auf der Mauer nur mit einer Spitzhacke bewaffnet.
»Warum sagt Ihr das?« fragte Roland.
»All die toten Männer dort oben«, erklärte der Bauer, »auf dem Berg sind mehr Ritter gefallen als irgendwo sonst in Rofehavan. Dort wurden sicherlich über hundert Schlachten ausgetragen, und das viele Blut, das vergossen wurde, hat vermutlich den Boden für dunkle Beschwörungen bereitet.
Der Herzog wollte sogar schon nach Blutmetall suchen lassen.
Deshalb sind die Greifer hier, glaube ich – um ihre Rune auf einer Erde zu erbauen, die blutgetränkt ist.«
Baron Poll runzelte nur die Stirn. »Das glaube ich allerdings ganz und gar nicht. Vielleicht wollen sie uns auf diese Weise nur eine Nachricht überbringen.«
»Eine Nachricht?« fragte Roland zweifelnd. Denn offensichtlich vergifteten die Greifer das Volk von Carris und setzten ihm mit ihrer gräßlichen Magie zu. »Greifer können nicht sprechen.«
»Für gewöhnlich nicht«, sagte der Baron, »zumindest
verstehen wir sie nicht. Aber sprechen können sie trotzdem.«
»Und was wollen sie uns mitteilen?« hakte Roland nach.
Baron Poll umfaßte das Land mit einer weiten Geste. So weit das Auge reichte, war Carris verdorrt und verwelkt. Städte, Bauernhäuser, Zäune und Festung waren gleichermaßen abgetragen worden. Auf den Bergen fünf Meilen entfernt dampften die Bäume.
»Versteht Ihr es denn nicht?« empörte sich Poll. »Es ist doch kaum schwerer zu begreifen als unsere Schrift: ›Das Land, das einst euch gehört, ist jetzt unser. Eure Häuser sind unser. Euer Essen – nun, ihr seid unser Essen. Wir vertreiben euch.‹«
Unten im Burghof hatten Raj Ahtens Soldaten ihre Pferde bestiegen. Die Ritter saßen auf ihren Schlachtrössern und hielten die Lanzen aufrecht, die wie glänzende Nadeln in den Himmel ragten.
»Öffnet das Tor!« rief Raj Ahten, der an ihrer Spitze stand.
Die Ketten quietschten, während sich die Zugbrücke langsam senkte.
KAPITEL 22
Zeter und Mordio
Averan merkte erst, daß sie geschlafen hatte, als Frühling aufschreckte und ihr die warme Decke aus den Händen riß. Die grüne Frau zitterte vor Erregung und sog witternd die Luft ein.
Die ganze Nacht hatten Averan seltsame Träume bedrängt, unwirkliche Visionen aus der Unterwelt.
Es war ein kalter Tag. Die Sonne versteckte sich hinter dichten Wolken. Ein feiner Nieselregen fiel. Averan hatte von einem Graak geträumt, der eine verwesende Ziege anschleppte, wie sie das manchmal taten, und Brand trug ihm auf, sie fortzuschaffen.
Sie rieb sich die Augen. Während sie geschlafen hatte, waren die Farne über ihr
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