Die Bruderschaft des Feuers
abgelegt, musste er fliehen, weil Philipp der Schöne von Frankreich seinen persönlichen Krieg gegen die Tempelritter losbrach, sie schändlicher Dinge beschuldigte und mit erzwungener Unterstützung von Papst Clemens V. ihren Orden auflöste. Gerardo war gezwungen, sich als Medizinstudent an der Universität auszugeben, um einer Verhaftung zu entgehen. Im Juni diesen Jahres war er mit allen Tempelrittern Bolognas durch den Erzbischof von Ravenna freigesprochen worden, der den Einsatz von Folter zur Erlangung von Geständnissen abgelehnt hatte.
Trotzdem hatte er inzwischen auch die dunkle Seite des Ordens kennengelernt, den er für rein gehalten hatte, und sich dagegen entschieden, sein Gelübde zu erneuern und wie so viele andere Tempelritter dem Hospitalorden des heiligen Johannes zu Jerusalem, einem anderen Kreuzritterorden, beizutreten.
Er hatte sich einige Monate Zeit genommen, um darüber nachzudenken, welche Richtung er seinem Leben geben wollte, und hatte dafür das Waisenhaus der Benediktiner von San Procolo gewählt. So konnte er sich um Masino kümmern, den Jungen, den Mondino und er dort untergebracht hatten, nachdem sie ihn einem alten Weib entrissen hatten, das ihn und seine Dienste an skrupellose Männer verkaufte. Masino war stumm, vielleicht aufgrund der erlittenen Misshandlungen, und Gerardo schien der Einzige zu sein, dem er vertraute, und auch der Einzige, der seine Sprache aus Gesten und Grimassen zu deuten wusste.
Für Kost und Logis im Waisenhaus zahlte Gerardo monatlich einen Betrag und ging außerdem den Mönchen zur Hand, doch er war ein Laienbruder geblieben und glaubte auch nicht, dass er irgendwann Benediktiner werden wollte.
Mondino hatte einmal zu ihm gesagt, er sei ein junger Mann mit großen Talenten, aber sein Kopf würde an Träumen festhalten. Das hatte Gerardo tief getroffen, und vielleicht hätte er ihn nie wieder aufgesucht, wäre da nicht Bertrando Lambertis Tod gewesen und der Wunsch, seine Schulden zu begleichen.
Doch während er jetzt die Via di Barberia in Richtung Pratelloviertel verließ, überlegte er, dass Mondino nicht ganz unrecht hatte. So konnte es auf Dauer nicht weitergehen. Er musste sich ein für alle Mal entscheiden, ob er sich zum Priester weihen lassen oder sich der Christenpflicht widmen wollte, eine Familie zu gründen.
Auf der anderen Seite des gepflasterten Platzes hinter der Basilika San Francesco entdeckte er den Capitano del Popolo inmitten einer Schar von Häschern, die mit einem Stock und ihrem Kurzschwert an der Seite bewaffnet waren. Er erkannte ihn von Weitem an den langen Armen, den kurzen Haaren und dem Lederpanzer unter dem offenen Mantel. Visdomini trug wie er selbst keine Kopfbedeckung und stemmte sich leicht nach vorn gegen den Wind, der alle anderen Geräusche überdeckte. Zwei Häscher kletterten auf einen offenen Karren, auf dem ein nackter Körper lag, gaben dem Mann auf dem vorgespannten Maultier ein Zeichen, und während sie sich in ihre Umhänge aus grober Wolle wickelten, brachen sie Richtung Mercato di Mezzo auf. Wahrscheinlich brachten sie eine Leiche zum Amtssitz des Capitano del Popolo. Dieser machte sich mit drei anderen Männern auf zur Basilika San Francesco. Gerardo beschleunigte seinen Schritt und ging ihnen entgegen.
»Messer Visdomini?«, fragte er und begleitete seine Worte mit einer knappen Verbeugung. »Man hat mir gesagt, dass ich Euch hier antreffen würde. Mein Name ist Gerardo da Castelbretone, und …«
»Ich weiß, wer Ihr seid«, unterbrach ihn der Capitano del Popolo. »Als ich vor sechs Monaten mein Amt angetreten habe, sprach man in der Stadt von nichts anderem als von Euch und Messer de’ Liuzzi. Ich nehme an, dass er Euch schickt.«
»Ganz recht«, erwiderte Gerardo. Er war nicht gerade erfreut darüber, dass sein unfreiwilliger Ruhm wegen der Eisenherzmorde, wie sie im Volksmund hießen, immer noch nicht abgeebbt war. »Er möchte, dass Bertrando Lambertis Leichnam noch heute von der Medizinschule abgeholt und der Familie zurückgebracht wird.«
»Hat er etwas Nützliches entdeckt?«
»Er hat nur aufgrund eines Muttermals die Identität des Toten bestätigen können, und er hat eine Tätowierung gefunden, die er Euch zeigen möchte. Was die Todesart betrifft, so hat er mir aufgetragen, Euch auszurichten, es handle sich um ein Phänomen, das die Wissenschaft nicht zu erklären vermag.«
»Eine Tätowierung?«, fragte der Capitano beinahe erschrocken. »Wie zum Teufel hat er eine Tätowierung an
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