Die Bruderschaft des Feuers
zu kennen meinte. Samuele beobachtete, wie der Grauhaarige kurz mit dem Bruder Pförtner sprach, sich dann seinen Begleitern zuwandte und ihnen auftrug, draußen auf ihn zu warten. Als er näher kam, um besser sehen zu können, erkannte er den derzeit amtierenden Capitano del Popolo, und sein Herz wurde ihm schwer.
Da hielt er es nicht länger aus, und er folgte ihm unauffällig, um an der geschlossenen Tür des Pater Guardian ihre Unterhaltung zu belauschen.
»Ehrwürdiger Vater«, begann der Capitano nach den üblichen Förmlichkeiten. »Wird in diesem Kloster ein Mönch vermisst?«
»Was bringt Euch zu dieser Annahme?«, fragte der Pater Guardian zurück, anstatt gleich mit Ja zu antworten.
»Die Tatsache, dass nicht weit von hier ein toter Mönch aufgefunden wurde. Er war nackt, und man hat ihm den Schädel eingeschlagen. Nur an der Tonsur konnte man erkennen, dass es sich um einen Mönch handelte. Später haben meine Männer im Kanal am Ende der Straße eine Franziskanerkutte gefunden, die sich an einem Baumstamm verfangen hatte.«
»Es gibt viele Franziskaner in der Stadt«, entgegnete der Pater Guardian. »Wieso sucht Ihr hier nach ihm?« Samuele, der in gebückter Haltung mit dem Ohr an der Tür stand, achtete plötzlich nicht mehr darauf, sich regelmäßig umzublicken, um nicht ertappt zu werden. Venanzio war tot. Er war sicher, dass sie über ihn sprachen.
Der Capitano verlor nicht die Geduld, sondern blieb freundlich. Offensichtlich war er erfahren im Umgang mit geistlichen Herren. »Eine Frau hat ihn erkannt. Sie sagt, dass er Pater Venanzio hieß.« Samueles Herz setzte einen Schlag aus, und der junge Mann schwankte, als hätte er einen Schlag auf den Rücken erhalten. »Sie wusste allerdings nicht, welchem Kloster er angehörte, deshalb habe ich hier begonnen, da Euer Kloster dem Fundort am nächsten liegt und es außerdem das größte der Stadt ist. Wollt Ihr mir nun bitte sagen, ob hier aufgefallen ist, dass ein Mönch fehlt?«
Diesmal antwortete der Pater Guardian nicht sofort. Er war alt und gerissen, aber nicht herzlos. Venanzios Tod musste auch ihn getroffen haben. »Ja«, erwiderte er dann leise. »Pater Venanzio gehörte diesem Kloster an. Er wird seit gestern vermisst. Friede sei mit ihm.«
Der Capitano erklärte, dass es sich nicht um Raubmord handeln konnte, weil allgemein bekannt war, dass Minderbrüder nichts besaßen, was zu stehlen sich lohnte. Er fragte den Pater Guardian, ob der Tote Feinde gehabt hätte, ob er diesbezüglich irgendwelche Befürchtungen geäußert hätte. Der Geistliche fiel ihm ins Wort und verneinte beides rasch. Ganz offensichtlich hatte er kein Interesse zu erfahren, wer Venanzio getötet hatte. Er wollte nur so schnell wie möglich den Skandal unterdrücken. Samuele verstand, dass er im Interesse des Klosters so handeln musste, aber dennoch brannten nun in seinen Augen nicht nur Tränen der Trauer, sondern auch der Wut.
Als der Pater Guardian auf die Bitte des Capitano, die persönlichen Habseligkeiten des Toten untersuchen zu dürfen, erwiderte, dass Mönche nicht über persönlichen Besitz verfügten und es daher nichts zu sehen gäbe, wollte Samuele fast ins Zimmer stürzen. Doch das wäre ein grober Akt des Ungehorsams gewesen. In dem Moment traf er eine Entscheidung. Er löste sich von der Tür und lief den Gang entlang. Es war verboten, das Kloster ohne Erlaubnis zu verlassen, aber alle wussten, wie man dies anstellen konnte, ohne gesehen zu werden. Samuele ging in den Garten, durchquerte das Kohlfeld und fand sich bald auf dem kleinen Friedhof hinter der Kirche wieder, neben den monumentalen Grabmälern der Glossatoren. Vor Kälte zitternd versteckte er sich hinter dem des Accursius und behielt das Klostertor auf der anderen Seite der Begrenzungsmauern im Auge.
Nach kurzer Wartezeit sah er den Capitano del Popolo herauskommen, der einen Moment stehen blieb und sich umschaute, bis er die zwei Häscher und den anderen Mann entdeckte, die unter einem Bogengang Unterschlupf vor dem Wind gesucht hatten. Er wollte gerade auf sie zugehen, als Samuele aus seinem Versteck hervorkam, über die Mauer kletterte und mit einem Pfiff auf sich aufmerksam machte. Visdomini drehte sich um.
»Hier drüben«, sagte der Bruder leise.
Als Mann, der an Heimlichkeiten gewöhnt war, reagierte der Capitano nicht überrascht. Er vollführte eine halbe Drehung und ging in Richtung des Pfiffes, als hätte er das von Anfang an so geplant. Als er um die Ecke bog, stand er
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