Die Bruderschaft des Feuers
umwandte, bemühte er sich, seine Gesichtszüge zu entspannen, um sich seine Zweifel nicht anmerken zu lassen. Dem Pater entging nicht das Geringste.
»Es tut mir leid, dass ich dich so lange warten ließ«, flüsterte der Mann mit der Kapuze, während er aus den entlegensten Winkeln des Tempels in den Raum trat. »Ich weiß, dass du sehr beschäftigt bist.«
»Das macht nichts«, entgegnete Visdomini. Ihm fiel auf, dass der Pater zwar die Worte als Entschuldigung formuliert, diese aber nicht im entsprechenden Ton geäußert hatte. »Ich habe Euch zu danken, dass Ihr mich empfangt.«
Der andere nickte, als entspräche diese Antwort genau dem, was er erwartet hatte. »Bist du gekommen, um mir eine gute Nachricht zu überbringen?«
»Eine gute Nachricht?«, fragte der Capitano. Er wusste nicht, was der andere meinte.
»Der Brief. Hast du ihn endlich gefunden?«
»Bedauerlicherweise nicht«, sagte Visdomini und hoffte nur, dass man ihm die Lüge nicht anmerkte. Er hätte jetzt auch gern eine Kapuze gehabt, um sein Gesicht zu verbergen.
»Dann bemüh dich. Dieser Papyrus ist äußerst wichtig.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Ich hoffe, dass ich ihn bald finden werde.« Er musste den Pater von seinen Befürchtungen unterrichten, aber ohne den Anhänger und Bruder Samueles Zeichnung zu erwähnen. Der Pater hätte sonst beschließen können, den Mönch persönlich zu befragen, und dann hätte er erfahren, dass der junge Mann ihm den Papyrus bereits übergeben hatte.
»Du musst in die Basilika San Francesco zurückkehren«, sagte der Pater. »Ich bin überzeugt, dass der Brief dort irgendwo versteckt ist. Finde ihn und bring ihn mir.«
Diesmal starrten ihn die braunen Augen unter der Kapuze auf eine Weise an, die Visdomini nicht zu deuten vermochte. Der Blick wirkte beinahe liebevoll, aber Visdomini jagte er Schauer über den Rücken.
»Ich kümmere mich so bald wie möglich darum«, erwiderte er. »Aber heute bin ich hier, um Euch von einem anderen Problem zu berichten.«
»Rede«, ermutigte ihn der Pater.
Ohne sich lang bitten zu lassen, erzählte ihm Visdomini von dem Leichenfund im Salzmagazin und den seltsamen Zeichen, die man auf der Hand des Toten gefunden hatte. Der Pater zeigte sich bestürzt.
»Pater Giovanni hat noch ein letztes Mal versucht, uns zu verraten«, sagte er. »Sogar in der Stunde des Todes.«
»Wisst Ihr, was diese Zeichen bedeuten?«
»Das geht dich nichts an«, fertigte ihn der Pater ab. »Inzwischen liegt Giovanni im Sarg, und ich glaube kaum, dass seine Hand daraus hervorklettern und uns Schwierigkeiten bereiten wird. War das alles?«
Visdomini nickte und erzählte ihm dann von Mondino de’ Liuzzi, wie genau er jede Kleinigkeit beobachtete und wie hartnäckig er sich dagegen wehrte, eine übernatürliche Erklärung für den Tod von Bertrando Lamberti und Giovanni da San Gimignano zu akzeptieren.
»Mondino irrt sich«, unterbrach ihn der Pater. »Diese beiden Verräter hat Mithras selbst mit dem heiligen Feuer getötet. Und das sind übernatürliche Kräfte, ich hoffe, wenigstens du zweifelst nicht daran.«
»Natürlich nicht«, antwortete Visdomini hastig. »Ich wollte damit nur sagen, dass er sich nicht so leicht überzeugen lässt. Heute Morgen im Salzmagazin hat er Spuren von Schuhen auf den Steinen draußen vor einem geöffneten Fenster entdeckt und ist nun überzeugt, dass der Mörder des Mönches von dort hereingekommen ist.«
»Wer leitet die Ermittlungen, er oder du?«, zischte der Pater vorwurfsvoll. Dann starrte er ihn wortlos an, und die Zeit kam dem Capitano del Popolo endlos lang vor. Die Pupillen des Paters funkelten dunkel wie zwei erloschene Kohlen hinter den Schlitzen der Kapuze. »Ich verstehe«, sagte er schließlich traurig. »Du verlierst den Glauben.«
»Nein!«, entgegnete Visdomini heftig, während er kurz den verkohlten Leichnam von Giovanni da San Gimignano vor Augen hatte. »Mein Glaube ist unerschütterlich. Ich weiß nur nicht, wie ich mich verhalten soll. Deswegen habe ich Euch gebeten, mich zu empfangen. Damit Ihr mir ratet, wie vorzugehen ist.«
»Ich danke dir für dein Vertrauen, dennoch muss ich dich daran erinnern, dass ich nur ein einfacher Mittler zwischen Mithras und dir bin. Gott rät, und ich tue nichts anderes, als seine Gedanken in Worte zu fassen.«
Der Pater wandte sich dem Altar zu und ließ den Blick lange auf dem Bildnis von Mithras ruhen, der mit einer Hand den Stier bei den Nüstern packte und ihm mit der anderen ein Messer
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