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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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der blutroten Sonne von Sangre. Etwas wie ein Ruf klang aus dem wogenden Schreckensbild zu ihm herüber. Der wilde Kriegsgesang des „Töten! Töten! Töten!“ war noch immer nicht verstummt. Etwas, das Vanderling faszinierte, auch wenn es sein Blut zu Eis gerinnen ließ, etwas, das sich in ihm regte, zuckte, wollte sich befreien …
    Plötzlich war der Bannfluch von ihm genommen, als er feststellte, daß seine zweite Reihe, statt anzuhalten und zu feuern, heulend und kreischend weiterstürmte, magisch angezogen von dem widerwärtigen menschlichen Fleischwolf, der dort vor ihr wütete.
    „Halt! Ihr Kretins!“ brüllte er. „Bezieht eure Stellung und feuert! Stehenbleiben und feuern, ihr Tröpfe!“
    Es war sinnlos. Vanderling erkannte, daß er der einzige Mann mit einem funktionierenden Verstand auf dem ganzen Schlachtfeld war. Alles würde in einem fürchterlichen Desaster enden. Diese mordgierigen Bestien würden seine Männer wie Grashüpfer zerpflücken, wenn sie sich auf einen Nahkampf einließen. Es hatte keinen Zweck; es gab nichts …
    Oder vielleicht doch?
    Während die zweite Reihe weiter ihrer Vernichtung in dem Gemetzel entgegenlief, setzte Vanderling zu einem verzweifelten Spurt an. Er rannte diagonal durch das Gras auf die linke Flanke der Schlacht zu. Es war ein Rennen gegen seine eigenen Leute. Konnte er sein Ziel noch rechtzeitig erreichen? Die Guerillas waren höchstens noch fünfzehn Meter vom Schlachtfeld entfernt, aber jetzt …
    Jetzt preßte sich sein Atem in schmerzhaften Stößen aus den Lungen, doch Vanderling hatte seine Position erreicht. Er befand sich seitlich vom Kampfgetümmel; die Reichweite der Schnittpistole reichte aus, und er hatte eine freie Feuerlinie zwischen seiner zweiten Reihe und dem tobenden, schreienden Gewimmel von Tötern und sterbenden Guerillas.
    Immer noch keuchend stützte Vanderling ein Knie am Boden ab, brachte die Schnittpistole in den Anschlag, zog den Abzugshebel zurück und hielt ihn fest. Hin und her schwenkte er die Waffe, hin und her, hin und her.
    Es war, als würde er mit einem gewaltigen Schwert mitten in das Herz der Schlacht hineinfahren. Hin und her. Hin und her. Köpfe, Glieder, Rümpfe. Hin und her. Hin und her. Weiß traten an seinen Händen, die die Pistolengriffe umklammerten, die Knöchel hervor. Wie der Schnitter Tod zog er seine Sense durch das Feld mit menschlichem Korn. Die Sense, das war der unendlich dünne, alles durchdringende Strahl der Schnittpistole. Töter und Guerillas zersprangen wie Glas. Hin und her …
    In den wenigen Augenblicken, bevor die Guerillas die Überreste der Töter erreichten, war die Schlacht bereits entschieden worden. Kaum ein Töter hatte den Beschüß unversehrt überstanden. Als die Guerillas über sie herfielen, kämpften die Töter, die noch lebten, rasend und verzweifelt weiter, ohne Glieder, ohne alles außer dem Leben selbst und dem Willen zu töten. Es sah so aus, als ob selbst die abgeschnittenen Köpfe ihre Zähne noch in gegnerische Füße schlugen, in einem letzten Anfall von Blutrausch und Haß.
    Ein unvorstellbares Gemetzel! Wenn sie keine Arme hatten, teilten die verstümmelten Töter Tritte aus. Wenn sie keine Beine mehr hatten, schnappten sie mit den Zähnen in die Luft, wanden sich und warfen sich hin und her wie an den Strand gespülte, sterbende Haie. Die Szene glich viel eher einer Schlacht zwischen zwei in einen Blutrausch gefallenen Piranhaschwärmen als einem Kampf zwischen Menschen. Der Boden war von entsetzlich anzuschauenden Körperteilen übersät und blutgetränkt. Bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Töter kämpften weiter und töteten. Im Todeskampf rissen sie noch einige Guerillas mit sich.
    Aber die Schnittpistole hatte den Ausschlag gegeben. Zwar waren die sterbenden Töter bis in die letzte Faser von Mordgier erfüllt, aber den Guerillas waren sie doch hoffnungslos unterlegen. In weniger als fünf Minuten war das Ende des Schreckens gekommen.
    Wie eine Meute von tollwütigen Raubtieren strömten die überlebenden Guerillas durch das Tor; Vanderling folgte ihnen benommen.
    Über der nächsten halben Stunde lag ein roter Nebel. Vanderling erinnerte sich später nur an einzelne Fetzen dieses brodelnden Wahnsinns. Irgendwo hatte jemand eine Fackel gefunden, und Palisaden, Nebengebäude und Haupthaus gingen in Flammen auf. Eigenartige, fette kleine Kinder mit leeren Augenhöhlen, nackte, blökende Wesen, die sich in der Ecke eines Pferchs zusammengekauert hatten, wurden

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