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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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natürlich, daß die Brüder euch ergreifen, euch zu ihrem Vergnügen foltern und euch am Ende schlachten, wenn sie ihren Spaß gehabt haben, damit sie euch an die Sadianer verfüttern können?“
    „Verstehst du nicht?“ fragte der Alte. „Die natürliche Ordnung: So wie es war, so wird es immer sein. Wir sind gute Tiere. Wir hören nicht auf Blasphemie.“
    „Sieh dir doch diesen Schweinestall an, sieh dir den Mist an, den du da ißt. Sieh dich selbst an, du bestehst ja nur aus Haut und Knochen. Verhungerst du etwa gern?“
    „Ich verhungere nicht. Alle haben zu essen. Die Brüder und die Töter essen die Fleischtiere, die Sadianer essen nutzlose Tiere, die Tiere essen die Pflanzen, die die Läuse anbauen. Das ist die natürliche Ordnung!“
    Ich verschwende hier meine Zeit, dachte Fraden. Vielleicht, daß der Dorfhäuptling …
    „Wo ist der Häuptling?“ fragte er. Der Alte sah ihn verständnislos an. „Euer Anführer, der Obermacker? Der wichtigste Mann im Dorf?“
    „Meinst du den Mundschenk? Die Hütte des Mundschenks befindet sich hinter dem Läusehaufen. Der Mundschenk ist alt. Ich bin der Zweitälteste. Wenn er stirbt, dann werde ich Mundschenk. Vielleicht stirbt er bald.“
    Fraden wandte sich um und trat ins Freie. „Wie alt bist du denn, Großvater?“ fragte er von draußen.
    „Siebenundvierzig“, sagte der alte Mann.
    Die Hütte des Mundschenks befand sich auf der fernen Seite des Läusehaufens. Getreidefelder breiteten sich vor ihr aus; und Fraden sah Dutzende von grünen Läusen, deren Chitinpanzer in der Sonne glänzten und die sich methodisch voranarbeiteten. Mit beweglichen Scheren an ihrem vorderen Beinpaar schnitten sie die hohen Halme ab.
    Gemeinsam mit Vanderling, der mißmutig neben ihm hertrottete, betrat Fraden die Hütte. Beinahe wäre er unter dem Anprall des Gestanks zu Boden gegangen. Der widerlich faulige Geruch kam von einem Wesen in der Mitte des dunklen Raumes: einem gewaltigen, grünen, aufgeblähten Sack mit einem kleinen Kopf. So dick war der fette Leib, daß die acht Stummelbeine nicht den Boden erreichten. Ein zwergenhafter, dürrer alter Mann hielt einen Tonkrug mit reinem Alkohol an die kleine Mundöffnung des Wesens, und die Kreatur schluckte die Flüssigkeit gierig in sich hinein. Ein Dutzend weiterer Krüge standen auf dem Erdboden der Hütte.
    Der alte Mann fuhr herum, ließ den Krug fallen und verspritzte die Flüssigkeit über den pulsierenden Leib des grünen Monstrums. „Ihr stört mich, während ich das Gehirn füttere“, zischte er. „Ihr stört den Mundschenk! Während der Ernte obendrein! Wollt ihr, daß die Läuse wild werden? Wollt ihr verhungern?“
    Dann sah er ihre Schnittpistolen und verbeugte sich tief. „Ehrenwerte Toter“, sagte er. „Ihr habt Gewehre. Vergebt, Herren! Ihr seht nicht aus wie Töter. Ich wollte euch nicht beleidigen.“
    „Wir kommen … äh … von sehr weit her“, sagte Fraden. „Wo wir herkommen, da ist alles ganz anders als hier. Wir möchten alles über dieses Dorf wissen.“
    „Da fragt ihr das richtige Tier“, antwortete der Alte. „Ich bin hier der Mundschenk. Ohne mich verhungert das ganze Dorf, und dann kann niemand mehr für die Brüder die Fleischtiere hüten. Ich gebe dem Gehirn die Befehle, und das Gehirn schickt die Läuse an die Arbeit.“
    „Willst du sagen, daß das Ding hier mit den Läusen spricht?“
    Der Mundschenk kicherte. „Ihr kommt wohl von sehr weit her. Sind auf eurem Anwesen keine Läuse? Der Läusehaufen, das ist wie ein Tier. Euer Gehirn redet doch auch nicht mit eurem Arm. Der Läusehaufen hat auch ein Gehirn, nämlich dieses Ding hier. Ich sage ihm, was zu tun ist, und die Läuse tun es einfach. So lange, wie das Gehirn betrunken ist. Sonst machen die Läuse, was sie wollen. Die Brüder holen sich das Gehirn, wenn es noch ganz winzig ist, machen es betrunken, geben es dem Dorf, und der Mundschenk kümmert sich darum, daß es immer betrunken bleibt. Also sorgt der Mundschenk dafür, daß das Getreide wächst, dann können die Tiere essen und für die Brüder arbeiten. Kennt ihr denn die natürliche Ordnung nicht?“
    „Also bist du der wichtigste Mann hier …“ sagte Fraden langsam. „Was wäre eigentlich, wenn sich die anderen alle weigern würden, die Fleischtiere zu hüten? Dann wäret doch ihr die Herrscher.“
    „Das ist doch verrückt! Die Töter kommen her und bringen das ganze Dorf um!“
    „Und wie wäre es, wenn ihr Gewehre hättet – ihr könntet gegen die Töter

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