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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Meinung sagte, klang es in den Ohren der anderen immer gleich skandalös.
    Ein- oder zweimal die Woche nahmen sie das Abendessen im Haus am Grosvenor Square ein. Die Gespräche dort hatten wenigstens einen handfesten Kern: Es ging ums Geschäft und um die Politik. Auch über die Streikwelle, von der London in diesem Frühjahr heimgesucht wurde, unterhielt man sich immer wieder. Allerdings war die Jamissonsche Sicht der Dinge völlig einseitig. Sir George zog über die Arbeiter her, Robert prophezeite die Katastrophe, und Jay schlug regelmäßig vor, die Unruhen durch das Militär niederschlagen zu lassen. Keiner der Anwesenden, nicht einmal Alicia, verfügte über die Vorstellungskraft, sich in die Lage der Gegenseite hineinzuversetzen. Lizzie selbst war natürlich auch nicht der Meinung, die Arbeiter seien zum Streiken berechtigt, aber sie nahm an, daß sie aus ihrer Sicht plausible Gründe hatten - und dies war eine Einstellung, die an der blitzblanken Dinnertafel im Haus am Grosvenor Square nicht wohlgelitten war.
    »Ich glaube, du bist heilfroh, wenn du wieder in Hallim House bist«, sagte Lizzie zu ihrer Mutter.
    Mutter nickte. »Die Jamissons sind sehr freundlich, aber ich vermisse mein Zuhause, obwohl es so viel einfacher ist.«
    Lizzie legte gerade ihre Lieblingsbücher in eine der Seekisten: Robinson Crusoe, Tom Jones, Roderick Random - lauter Abenteuergeschichten - , als ein Diener anklopfte und sagte, ein Caspar Gordonson warte unten auf sie.
    Sie bat den Diener, den Namen des Gastes zu wiederholen, denn sie hielt es kaum für möglich, daß Gordonson es wagen würde, ein Mitglied der Familie Jamisson persönlich aufzusuchen. Sie wußte, daß sie ihn nicht empfangen sollte: Daß er die Streikenden ermuntert und unterstützt hatte, schadete den geschäftlichen Interessen ihres Schwiegervaters. Doch wie immer obsiegte ihre Neugier, und so trug sie dem Diener auf, den Gast in den Salon zu führen.
    Wohlfühlen sollte er sich in ihrem Haus allerdings nicht. »Sie haben uns großen Verdruß bereitet«, sagte sie ihm ins Gesicht, als sie den Salon betrat.
    Zu ihrer Überraschung erwies sich der Anwalt nicht als der aggressive Besserwisser, mit dem sie gerechnet hatte. Vor ihr stand vielmehr ein schmuddeliger, kurzsichtiger Mann mit einer Fistelstimme und dem Auftreten eines schusseligen Schullehrers. »Das war gewiß nicht meine Absicht«, sagte er. »Oder doch, ja, aber es war nicht gegen Sie persönlich gerichtet…«
    »Was führt Sie zu mir? Wäre mein Mann zu Hause, würde er Sie sofort rauswerfen.«
    »Mack McAsh wurde nach dem Aufruhrgesetz angeklagt und ins Gefängnis von Newgate eingeliefert. In drei Wochen findet im Old Bailey der Prozeß gegen ihn statt. Auf sein Vergehen steht die Todesstrafe.«
    Die Erinnerung traf Lizzie wie ein Schlag, aber sie ließ sich nichts anmerken. »Das weiß ich«, sagte sie kühl. »Es ist eine Tragödie - so ein starker junger Mann, der sein ganzes Leben noch vor sich hat.«
    »Sie müssen ein schlechtes Gewissen haben«, sagte Gordonson.
    »Sie unverschämter Lümmel!« fuhr Lizzie ihn an. »Von wem hat denn McAsh diese fixe Idee, er sei ein freier Mann? Wer hat ihm denn gesagt, daß er Rechte hat? Das waren doch Sie! Wenn hier jemandem das Gewissen schlagen sollte, dann Ihnen!«
    »Das tut es auch«, gab der Anwalt leise zurück.
    Lizzie hätte eher mit der gegenteiligen Antwort gerechnet. Seine Bescheidenheit besänftigte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie unterdrückte sie. »Er hätte in Schottland bleiben sollen«, sagte sie.
    »Sie wissen, daß vielen zum Tode Verurteilten der Strang am Ende erspart bleibt?«
    »Ja.« Es gab natürlich noch Hoffnung. Ihre Stimmung besserte sich ein wenig. »Glauben Sie, daß Mack vom König begnadigt wird?«
    »Das hängt davon ab, wer sich für ihn einsetzt. Einflußreiche Freunde sind das A und O in unserem Rechtssystem. Ich werde mich natürlich dafür einsetzen, daß man ihn am Leben läßt, aber meine Worte gelten nicht viel. Die meisten Richter hassen mich. Wenn aber Sie sich für ihn einsetzen würden…«
    »Das kann ich doch nicht!« protestierte Lizzie. »Mein Ehemann ist schließlich der Ankläger. Ich würde ihm ja  geradezu in den Rücken fallen!«
    »Aber Sie könnten McAsh das Leben retten.«
    »Und Jay wie einen Idioten aussehen lassen!«
    »Glauben Sie nicht, er hätte Verständnis dafür?«
    »Nein, bestimmt nicht! Kein Ehemann hätte für so eine  Handlungsweise Verständnis.«
    »Denken Sie noch

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