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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Anklage.«
    »Dein Mitgefühl für diesen Bergmann ist ziemlich stark, mein Kind«, sagte Lady Hallim. »Ein Ehemann mag daran Anstoß nehmen.«
    »Ach Mutter, mach dich doch nicht lächerlich.«
    Es klopfte an der Eßzimmertür, und ein Diener trat ein. »Reverend York gibt sich die Ehre, Madam«, sagte er.
    »Welch erfreuliche Überraschung!« sagte Mutter, die von jeher ein Faible für den Pastor hatte. An ihre Tochter gewandt, fügte sie mit leiser Stimme hinzu: »Habe ich dir schon erzählt, daß seine Frau gestorben ist? Jetzt ist er mit seinen drei Kindern allein.«
    »Aber warum kommt er zu uns?« fragte Lizzie nervös. Sie sah den Diener an. »Er soll doch im Old Bailey aussagen. Führen Sie ihn herein, schnell!«
    Der Pastor betrat das Zimmer. Er sah aus, als habe er sich in großer Eile angekleidet. Ehe Lizzie ihn fragen konnte, warum er nicht bei der Gerichtsverhandlung war, machte er eine Bemerkung, die Lizzies Gedanken vorübergehend von Mack ablenkten.
    »Lady Hallim - Mrs. Jamisson. Ich bin erst vor ein paar Stunden in London eingetroffen und wollte Ihnen beiden zum schnellstmöglichen Zeitpunkt mein Mitgefühl ausdrücken. Was für ein furchtbarer…«
    »Nein!« sagte Lizzies Mutter und preßte die Lippen  zusammen.
    »… Schicksalsschlag für Sie!«
    Lizzie warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu und sagte:
    »Wovon sprechen Sie, Mr. York?«
    »Von dem Grubenunglück natürlich.«
    »Davon weiß ich ja gar nichts… im Gegensatz zu meiner Mutter, wie ich sehe…«
    »Du meine Güte! Es tut mir furchtbar leid, wenn ich Sie erschreckt haben sollte. In Ihrer Grube ist eine Stollendecke eingestürzt und hat zwanzig Menschen unter sich begraben.«
    »Das ist ja furchtbar!« Lizzie rang nach Luft. In ihrer Vorstellung sah sie zwanzig neue Gräber auf dem kleinen Friedhof neben der Brücke, und sie dachte an das große Leid der Betroffenen: Überall in Heugh und Umgebung trauerte man jetzt um Angehörige und Freunde. Aber da war noch etwas, das sie beunruhigte. »Was meinen Sie mit ›Ihrer Grube‹?« fragte sie den Pastor.
    »Nun, die Grube auf High Glen…«
    Lizzie erstarrte. »Es gab nie eine Grube auf High Glen!«
    »Nein, nein, nur die neue natürlich. Ich meine diejenige, die nach Ihrer Hochzeit mit Mr. Jamisson eröffnet wurde.«
    Die kalte Wut überkam Lizzie, und sie fuhr ihre Mutter an: »Du hast das gewußt, was?«
    Lady Hallim hatte wenigstens noch den Anstand, die Beschämte hervorzukehren. »Wir hatten keine andere Wahl, mein Schatz. Nur deshalb hat Sir George euch die Pflanzung in Virginia gegeben…«
    »Ihr habt mich verraten und verkauft, ihr alle!« schrie Lizzie. »Sogar mein eigener Ehemann! Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? Wie konntet ihr mich nur so belügen?«
    Ihre Mutter fing an zu weinen. »Wir dachten, du würdest es nie erfahren. Du reist ja jetzt bald nach Amerika…«
    Ihre Tränen waren nicht dazu angetan, Lizzies Zorn zu dämpfen. »Ich würde es nie erfahren, habt ihr geglaubt. Ich traue  meinen Ohren nicht mehr…«
    »Bitte, überstürze nichts, mein Kind, ich bitte dich!«
    Eine schlimme Ahnung überfiel Lizzie, und sie wandte sich  an den Pastor: »Macks Zwillingsschwester…«
    »Ja, sie ist unter den Todesopfern. Es tut mir so leid…«
    »O nein!« Mack und Esther waren die ersten Zwillinge, die Lizzie je gesehen hatte, und die beiden hatten sie immer fasziniert. Als Kinder konnte sie nur unterscheiden, wer sie sehr gut kannte. Später sah Esther aus wie eine weibliche Version von Mack. Sie hatte die gleichen leuchtend grünen Augen und einen ähnlichen Körperbau wie ihr Bruder, kräftig und untersetzt. Lizzie erinnerte sich an die Szene vor der Kirche, die erst wenige Monate zurücklag. Esther hatte zu ihrem Bruder gesagt, er solle den Mund halten… Sie, Lizzie, hatte darüber lachen müssen. Jetzt war Esther tot - und Mack kurz davor, zum Tode verurteilt zu werden.
    Der Gedanke an Mack holte sie in die Gegenwart zurück. »Heute findet der Prozeß gegen Mack statt«, sagte sie.
    Pastor York erschrak. »Oje, ich wußte es nicht genau. Bin ich zu spät gekommen?«
    »Vielleicht noch nicht. Aber Sie müssen sofort zum Gericht!«
    »Ich mache mich sofort auf den Weg. Wie weit ist es?«
    »Fünfzehn Minuten zu Fuß, fünf Minuten mit der Sänfte. Ich begleite Sie.«
    »Nein, bitte nicht«, sagte Mutter.
    Lizzies antwortete in bewußt strengem Ton: »Versuche nicht, mich zurückzuhalten, Mutter! Ich werde persönlich um Macks Leben bitten. Wir

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