Die Brücken Der Freiheit: Roman
schon früher serviert worden, doch inzwischen standen verschiedene Erfrischungen und Leckereien auf dem Tisch: Wein, Marmelade, Käsekuchen, Früchte, eine Obstspeise mit Sahne. Das Fest hatte ein kleines Vermögen gekostet, war aber ein großer Erfolg: Alles, was Rang und Namen hatte, war erschienen.
Das einzige, was nicht in die festliche Stimmung paßte, war ein Auftritt Sowerbys gewesen, des Verwalters. Der hatte sich ausgerechnet diesen Tag ausgewählt, um von Jay die Zahlung seines ausstehenden Lohns zu verlangen. Als Jay erwiderte, er könne ihn erst bezahlen, wenn das Geld für die Tabakernte eingegangen sei, hatte Sowerby frech gefragt, wieso Jay sich dann ein Fest für fünfzig Gäste leisten könne! Tatsache war, daß Jay sich das Fest nicht leisten konnte: Alles war auf Kredit gekauft worden. Zu stolz, es seinem Verwalter zu sagen, hatte er ihn zurechtgewiesen. Er solle gefälligst den Mund halten. Sowerby hatte daraufhin so enttäuscht und bekümmert reagiert, daß Jay sich fragte, ob ihn vielleicht ein bestimmtes finanzielles Problem bedrücke. Er ging dieser Vermutung jedoch nicht weiter nach.
Im Speisezimmer standen die nächsten Nachbarn der Jamissons vor dem Kamin und aßen Kuchen. Es waren drei Paare: Colonel Thumson und seine Frau, Bill und Suzy Delahaye sowie die Brüder Armstead, zwei Junggesellen. Die Thumsons gehörten zur höchsten gesellschaftlichen Schicht: Der Colonel war Abgeordneter in der Generalversammlung, ein ernster, ein wenig pompös wirkender Mann. Nach einer glanzvollen Karriere in der britischen Armee und der Miliz von Virginia hatte er seinen Abschied genommen, um Tabakpflanzer zu werden und sich in der Kolonialverwaltung zu engagieren. Thumson ist ein Vorbild, an das ich mich halten könnte, dachte Jay.
Man sprach über Politik, und Thumson verriet Jay und Lizzie, worum es ging: »Der Gouverneur von Virginia ist vergangenen März gestorben. Wir warten derzeit auf seinen Nachfolger.«
Jay spielte den intimen Kenner des Hofgeschehens zu London: »Der König hat Norborne Berkeley, Baron von Botetourt, ernannt.«
John Armstead, der schon stark angetrunken war, lachte rauh: »Was für ein Name!«
Jay bedachte ihn mit einem frostigen Blick. »Ich glaube, der Baron hoffte, kurz nach mir abreisen zu können.«
»Bis zu seiner Ankunft vertritt ihn der Präsident des Rates«, sagte Thumson.
Jay, der unbedingt zeigen wollte, daß er sich schon sehr gut in der lokalen Politik auskannte, sagte: »Ich glaube, deshalb waren die Abgeordneten so unklug, den Brief aus Massachusetts zu unterstützen.« Der fragliche Brief, den die Legislative von Massachusetts an König George geschickt hatte, war ein Protest gegen die Zölle gewesen. Die Generalversammlung von Virginia hatte danach eine Resolution verabschiedet, in der sie diesen Brief ausdrücklich guthieß. Jay und die meisten Londoner Tories hielten sowohl den Brief als auch die Resolution für illoyal gegenüber der Krone.
Thumson schien mit dieser Bemerkung nicht einverstanden zu sein. »Ich glaube nicht, daß die Abgeordneten unklug gehandelt haben«, sagte er steif.
»Seine Majestät war gewiß dieser Meinung«, erwiderte Jay. Er erklärte nicht, woher er das wußte, stellte aber wortlos anheim, daß der König es ihm persönlich mitgeteilt hatte.
»Nun, das ist eine betrübliche Nachricht«, sagte Thumson in einem alles andere als betrübten Ton.
Jay spürte, daß er sich auf potentiell gefährliches Terrain begab, wollte sein Publikum aber mit seinem Scharfsinn beeindrucken und sagte daher: »Ich bin ziemlich sicher, daß der neue Gouverneur eine Rücknahme der Resolution verlangen wird.« Er hatte das noch am Tag seiner Abreise in London gehört.
Bill Delahaye, der jünger war als Thumson, sagte erregt: »Die Abgeordneten werden sich weigern.« Suzy, seine hübsche Ehefrau, legte ihm besänftigend die Hand auf den Arm, konnte ihn aber kaum bremsen. »Es ist ihre Pflicht,« fuhr er fort, »dem König die Wahrheit zu sagen, anstatt seinen Tory-Speichelleckern mit leeren Phrasen nach dem Mund zu reden!«
»Natürlich sind nicht alle Tories Speichellecker«, sagte Thumson taktvoll.
»Wenn die Abgeordneten sich weigern, diese Resolution zurückzunehmen, wird der Gouverneur die Versammlung auflösen müssen«, sagte Jay.
»Komisch, daß das heutzutage kaum etwas zu sagen hat«, warf Roderick Armstead ein, der weniger getrunken hatte als sein Bruder.
Jay konnte sich darauf keinen Reim machen. »Wie das?« fragte er.
»Die
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