Die Brücken Der Freiheit: Roman
dem Tischchen vor ihm häuften sich mehrere Stapel mit kleinen Münzen. Die Störung war ihm sichtlich unangenehm.
Sorgfältig strich er seine Münzen ein und ließ sich Zeit, bis er aufstand und seinen Hut abnahm. »Was führt Sie denn hierher, Mrs. Jamisson?«
»Das Würfelspiel sicherlich nicht«, erwiderte sie spitz. »Wo ist Mr. Sowerby?«
Ein oder zwei Männer murmelten zustimmend. Es hatte den Anschein, daß auch andere an Sowerbys Schicksal interessiert waren. Ein grauhaariger Mann drehte sich zu ihr um und starrte sie an.
»Er ist offenbar abgehauen«, antwortete Lennox.
»Warum haben Sie mich darüber nicht in Kenntnis gesetzt?«
Lennox zuckte mit den Schultern. »Weil ich auch nichts daran ändern kann.« »Ich möchte künftig über solche Dinge informiert werden, ist das klar?«
Lennox antwortete nicht.
»Warum ist Sowerby gegangen?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Er hatte Schulden«, warf der Grauhaarige ein.
Lizzie sah ihn an. »Bei wem?«
Der Mann wies mit dem Daumen auf Lennox. »Bei dem da!«
»Stimmt das?« fragte Lizzie Lennox.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Warum hat er sich von Ihnen Geld geborgt?«
»Hat er strenggenommen gar nicht. Er hat es verloren.«
»Beim Spielen.«
»So ist es.«
»Haben Sie ihn daraufhin bedroht?«
Der Grauhaarige lachte sarkastisch auf. »Ach ja? Hat er das?«
»Ich habe mein Geld verlangt«, erwiderte Lennox kühl.
»Und ihn damit vertrieben?«
»Ich sagte Ihnen doch, daß ich keine Ahnung habe, warum er abgehauen ist.«
»Ich glaube, er hatte Angst vor Ihnen.«
Ein böses Lächeln huschte über Lennox' Gesicht. »Das haben viele«, sagte er, und der drohende Unterton war kaum zu überhören.
Lizzie fürchtete sich vor ihm, aber sie war auch wütend. »Lassen Sie mich eines klarstellen«, sagte sie und schluckte, um ein leichtes Zittern in ihrer Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Ich bin die Herrin dieser Pflanzung, und Sie werden tun, was ich Ihnen sage. Bis zur Rückkehr meines Gatten übernehme ich die Verwaltung der Plantage. Wenn Mr. Jamisson wieder da ist, wird er bestimmen, wer an Mr. Sowerbys Stelle tritt.«
Lennox schüttelte den Kopf.
»O nein«, sagte er. »Ich bin Sowerbys Stellvertreter. Mr. Jamisson hat mir ausdrücklich aufgetragen, im Falle einer Erkrankung Sowerbys oder falls er sonst irgendwie ausfällt, seine Stelle zu übernehmen. Und davon mal ganz abgesehen: Was verstehen Sie vom Tabakanbau?«
»Mindestens genausoviel wie ein Londoner Schankwirt.«
»Nun, Mr. Jamisson sieht das anders, und er ist es, von dem ich meine Befehle erhalte.« Lizzie hätte vor Zorn und Enttäuschung schreien können.
Nein, ich werde es nicht zulassen, daß dieser Kerl auf meiner Plantage Befehle erteilt, dachte sie und sagte: »Ich warne Sie, Mr. Lennox. Sie täten gut daran, sich an meine Anweisungen zu halten.«
»Und wenn ich es nicht tue?« Er grinste und trat einen Schritt auf sie zu. Lizzie konnte seinen typischen üblen Körpergeruch wahrnehmen und sah sich gezwungen, einen Schritt zurückzugehen. Die anderen Gäste saßen wie angefroren auf ihren Stühlen. »Was werden Sie dann tun, Mrs. Jamisson?« fragte er und drängte sie weiter zurück. »Wollen Sie mich vielleicht niederschlagen?« Bei diesen Worten hob er die Hand über seinen Kopf. Die Geste mochte als nur Verstärkung dessen, was er gesagt hatte, gelten, ebensogut aber auch als Drohung gesehen werden.
Lizzie stieß einen Schreckensschrei aus und sprang rückwärts. Dabei stolperte sie über ein Stuhlbein und saß unvermittelt auf dem Boden.
Plötzlich stand Mack zwischen Lennox und ihr. »Sie haben die Hand gegen eine Frau erhoben, Lennox«, sagte er. »Wollen doch mal sehen, ob Sie sich das auch einem Mann gegenüber trauen.«
»Sie!« rief Lennox aus. »Ich habe Sie gar nicht erkannt. Steht da hinten in der Ecke wie ein Nigger…«
»Jetzt wissen Sie, wer ich bin. Was gedenken Sie zu tun?«
»Sie sind ein Idiot, McAsh. Ständig auf der Verliererseite…«
»Sie haben die Frau des Mannes beleidigt, dessen Eigentum Sie sind. Das ist auch nicht gerade klug.«
»Ich bin nicht hergekommen, um mich zu streiten«, sagte Lennox und ging wieder zu seinem Tisch. »Ich kam, um zu würfeln.«
Lizzie war genauso wütend und frustriert wie am Anfang. »Gehen wir!« sagte sie zu Mack.
Er hielt ihr die Tür auf, und sie ging hinaus.
Ich muß mehr über den Tabakanbau lernen, dachte Lizzie, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte.
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