Die Brücken Der Freiheit: Roman
stand noch an. Die Pflanzen mußten getrocknet und entstielt und die Blätter gepreßt werden, bevor man sie zum Transport nach London oder Glasgow in den Schweinsköpfen verstauen konnte. Auf dem Feld, das die Bezeichnung Stream Quarter trug, wurde Winterweizen gesät und auf Lower Oak Gerste, Roggen und Klee. Die anstrengendste Zeit, in der die Plantagenarbeiter vom frühen Morgen bis zum späten Abend auf den Feldern schufteten und danach bei Kerzenlicht im Tabakschuppen weiterarbeiteten, war jedoch vorüber.
Die Leute verdienen eine Belohnung, dachte Lizzie. Sie haben wirklich hart gearbeitet. Selbst Sklaven und Sträflinge brauchen ab und zu eine Bestätigung…
Ihr kam der Gedanke, ein Fest für die Plantagenarbeiter zu veranstalten, und je mehr sie darüber nachdachte, desto besser fand sie die Idee. Sicher, Jay würde wahrscheinlich etwas dagegen haben, aber mit seiner Rückkehr war frühestens in zwei Wochen zu rechnen - Williamsburg lag drei Tagesreisen entfernt. Es konnte alles während seiner Abwesenheit über die Bühne gehen.
Sie ging am Ufer des Rappahannock entlang und bedachte ihren Plan von allen Seiten. Hier in seinem Oberlauf war der Fluß seicht und steinig; schiffbar war er erst ab Fredericksburg. Lizzie umrundete ein teilweise überspültes Ufergebüsch und blieb abrupt stehen. Im hüfttiefen Wasser stand, den breiten Rücken ihr zugewandt, ein Mann und wusch sich. Es war McAsh.
Roy merkte auf, sein Fell sträubte sich. Dann erkannte er Mack.
Lizzie sah ihn nicht zum erstenmal nackt in einem Fluß. Es war jetzt fast ein Jahr her, daß sie ihn mit ihrem Unterrock abgetrocknet hatte. Damals war ihr alles vollkommen natürlich erschienen, doch als sie jetzt daran zurückdachte, kam ihr die Szene seltsam traumhaft vor: das Mondlicht, das rauschende Wasser, der starke, aber so verletzlich wirkende Mann, den sie umarmt und mit ihrem Körper gewärmt hatte.
Sie hielt inne und beobachtete, wie er aus dem Wasser stieg. Er war nackt, so nackt wie damals in jener Nacht.
Eine andere Erinnerung stellte sich ein. Auf High Glen hatte sie eines Nachmittags einen jungen Hirsch überrascht, der in einem Bach stand und trank. Sie sah die Szene vor sich wie auf einem Gemälde. Als sie aus dem Gebüsch trat, stand der zwei-oder dreijährige Bock nur wenige Meter vor ihr. Er hob den Kopf und starrte sie an. Weil es über das Steilufer auf der anderen Seite des Baches kein Entrinnen gab, war der Hirsch gezwungen, an ihr vorbei das Weite zu suchen. Als er aus dem Bach stieg, glitzerte das Wasser auf seinen muskulösen Flanken.
Lizzie hielt die geladene und schußbereite Flinte in der Hand, aber sie konnte nicht abdrücken - die Intimität zwischen ihr und dem Tier, die durch die ungewohnte Nähe hervorgerufen wurde, war einfach zu groß.
Jetzt sah sie die Wassertropfen über Macks Haut rinnen und erkannte, daß er trotz der Entbehrungen der letzten Zeit noch immer die kraftvolle Anmut eines jungen, wilden Tieres besaß. Als er sich die Hose anzog, sprang Roy auf ihn zu. Mack blickte auf, erkannte Lizzie und erstarrte. Nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, sagte er: »Sie könnten sich vielleicht umdrehen.«
»Sie sich vielleicht auch!« erwiderte Lizzie.
»Ich war zuerst hier.«
»Und mir gehört das Land!« Es war erstaunlich, wie schnell er sie reizen konnte. Offenbar hielt er sich für gleichwertig - er, der Sträfling und Landarbeiter. Daß sie eine Dame war, nötigte ihm keinerlei Respekt ab. Er schien die Standesunterschiede für eine Art willkürliche Vorsehung zu halten, die für sie kein Bonus und für ihn keine Schande war. Seine Kühnheit war ein Ärgernis, aber er war wenigstens ehrlich. McAsh fehlte jede Hinterhältigkeit. Jay war ihr dagegen oftmals einfach unbegreiflich. Sie wußte nicht, was in seinem Kopf vorging, und wenn sie ihn fragte, reagierte er gleich abwehrend, als habe sie ihm Vorwürfe gemacht.
McAsh schnürte sich das Band, das seine Hose festhielt. Er wirkte nun eher belustigt. »Ich gehöre Ihnen jetzt auch.«
Lizzies Blick ruhte auf seinem Oberkörper. Allmählich kehrten seine Muskeln zurück. »Außerdem habe ich Sie schon einmal nackt gesehen.«
Mit einem Schlag war die Spannung verflogen, und sie lachten, so wie sie damals, als Esther zu Mack gesagt hatte, er solle den Mund halten.
»Ich möchte ein Fest für die Arbeiter der Plantage geben«, sagte sie.
Er streifte sich sein Hemd über. »Was für ein Fest?«
Lizzie mußte sich eingestehen, daß es ihr
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