Die Brücken Der Freiheit: Roman
war sich ihrer Sache aber keineswegs sicher.
Lennox blieb bei seiner Behauptung. »Das eine ist so gut wie das andere. Und wenn Sie das System ändern wollen, dann müssen Sie sich an Mr. Jamisson wenden.«
Sie gönnte Lennox keinen Triumph, nicht einmal einen vorübergehenden. Aber es stimmte: Sie mußte warten, bis Jay wieder da war.
»Sie können jetzt gehen!« sagte sie gereizt.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, aber mit einem selbstzufriedenen Lächeln im Gesicht verließ Lenno x das Empfangszimmer.
Den Rest des Tages zwang Lizzie sich zur Ruhe, doch am nächsten Vormittag machte sie wieder ihren gewohnten Gang über die Pflanzung.
In den Tabakschuppen wurden die trocknenden Blattbüschel von den Haken genommen, so daß man die Blätter von den Stengeln trennen und die gröbsten Fasern entfernen konnte. Der nächste Schritt bestand darin, sie zu neuen Bündeln zusammenzufassen und mit Tüchern abzudecken, um sie zum »Schwitzen« zu bringen.
Einige Plantagenarbeiter schlugen im Wald Faßholz, andere säten auf dem Feld unten am Fluß Winterweizen. In einer Reihe überquerten sie das Feld und streuten die Samen aus, die sie in schweren Körben mit sich führten. Lizzie entdeckte Mack; er arbeitete neben einer jungen Schwarzen. Lennox folgte ihnen und trieb die langsameren unter ihnen mit Tritten oder leichten Peitschenschlägen zu schnellerer Arbeit an. Es war eine kurze Peitsche mit einem harten Knauf und einer knapp einen Meter langen Gerte aus biegsamem Holz. Als er Lizzie erblickte, machte er sofort freigebiger als zuvor von der Peitsche Gebrauch, als wolle er die Herrin von Mockjack Hall dazu provozieren, ihm Einhalt zu gebieten.
Lizzie wandte sich ab und wollte zum Haus zurückkehren. Sie war noch nicht außer Hörweite, als hinter ihr ein Schrei ertönte. Lizzie drehte sich um.
Die junge Arbeiterin neben Mack war zusammengebrochen. Es war Bess, ein Mädchen von vielleicht fünfzehn Jahren. Bess war hoch aufgeschossen und sehr dünn: Lizzies Mutter hätte gesagt, daß ihr Körper schneller gewachsen war als ihre Kräfte.
Lizzie lief auf die am Boden liegende Gestalt zu, aber Mack war schneller bei ihr. Er stellte seinen Korb ab, kniete neben Bess nieder, berührte ihre Stirn und die Hände. »Ein Ohnmachtsanfall, glaube ich«, sagte er.
Jetzt war auch Lennox bei Bess und trat ihr brutal in die Rippen. Er trug schwere Stiefel.
Der Körper des Mädchens bäumte sich auf, aber die Augen blieben geschlossen.
»Aufhören!« schrie Lizzie. »Hören Sie sofort auf, sie zu treten!«
»Faules schwarzes Luder!« brüllte Lennox. »Ich werd' dir eine Lehre erteilen!« Er holte aus.
»Unterstehen Sie sich!« fauchte Lizzie ihn an.
Die Peitsche sauste auf den Rücken des ohnmächtigen Mädchens nieder.
Mack sprang auf.
»Aufhören!« schrie Lizzie . Lennox hob neuerlich die Peitsche . Mack stellte sich zwischen Lennox und Bess . »Ihre Herrin hat Ihnen befohlen aufzuhören«, sagte er . Lennox veränderte den Griff und schlug Mack mit de r Peitsche quer über das Gesicht.
Mack taumelte zur Seite, seine Hand fuhr hoch. Auf seiner Wange erschien ein purpurroter Striemen und zwischen seinen Lippen tropfte Blut.
Wieder holte Lennox aus, doch zum Schlag kam er diesmal nicht mehr.
Es geschah alles so schnell, daß Lizzie kaum mitbekam, wie es geschah. Auf jeden Fall lag Lennox im nächsten Augenblick stöhnend auf dem Boden. Mack hielt die Peitsche in den Händen, zerbrach sie über dem Knie und warf die beiden Stücke verächtlich auf Lennox.
Ein Triumphgefühl überkam Lizzie. Der Schurke war besiegt.
Alle, die den Vorfall miterlebt hatten, standen wie vom Donner gerührt da.
Dann sagte Lizzie: »Geht wieder an die Arbeit! Los!«
Die Feldarbeiter folgten ihrem Befehl sofort und fuhren mit der Aussaat fort. Lennox rappelte sich auf und starrte Mack mit finsterem Blick an.
»Können Sie Bess ins Haus tragen?« fragte Lizzie Mack.
»Ja, natürlich.« Er hob die Ohnmächtige auf.
Sie kehrten zum Herrenhaus zurück und brachten Bess in das separate Küchenhäuschen auf der Rückseite. Als Mack sie auf einen Stuhl setzte, kam Bess wieder zu Bewußtsein.
Die Köchin Sarah war eine Schwarze mittleren Alters, die ständig schwitzte. Lizzie trug ihr auf, eine Flasche Brandy aus Jays Beständen zu holen. Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, sagte Bess, es gehe ihr wieder gut, nur die Rippen täten ihr furchtbar weh. Warum sie ohnmächtig geworden war, könne sie sich nicht erklären.
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