Die Brücken Der Freiheit: Roman
»Die Plantage ist nie richtig geleitet worden«, sagte er. »Ich hatte vor, sie wie ein Regiment zu führen. Die Nigger sollen härter arbeiten, dann wirft sie auch wieder ordentlich Profit ab.«
»Glaubst du wirklich, daß dir das gelingen könnte?« fragte sein Vater.
Jays Herz machte einen Sprung. Vielleicht änderte Vater seine Meinung ja noch. »Jawohl, das glaube ich!« sagte er im Brustton der Überzeugung.
»Aber ich nicht!« erwiderte Sir George streng.
Jay hatte das Gefühl, man habe ihn in die Magengrube geschlagen.
»Ich glaube, du hast nicht die leiseste Ahnung, wie man eine Plantage oder ein anderes Unternehmen leitet«, knurrte Sir George. »Nach meiner Meinung bis du in der Armee, wo man dir sagt, was du zu tun hast, am besten aufgehoben.«
Noch ein Tiefschlag. Jay betrachtete den wunderschönen Schimmelhengst. »Ich werde dieses Pferd niemals reiten«, sagte er. »Führt es weg.«
»Robert bekommt das Schloß, die Kohlegruben, die Schiffe und alles andere«, sagte Alicia zu ihrem Mann. »Muß er denn unbedingt auch die Plantage haben?«
»Er ist der älteste Sohn.«
»Jay ist jünger, ja, aber er stellt auch etwas dar. Warum muß Robert denn alles bekommen?«
»Um seiner Mutter willen«, antwortete Sir George.
Alicia starrte ihren Ehemann an, und Jay erkannte, daß sie ihn
haßte. Und ich hasse ihn auch, dachte er. Ich hasse meinen Vater.
»Schande über dich!« sagte Alicia, und die Gäste hielten entsetzt die Luft an. »Scher dich zum Teufel!«
Sie drehte sich um und verschwand im Haus.
Kapitel 5
DIE McASH-ZWILLINGE lebten auf knapp zehn Quadratmetern Fläche in einem Ein-Zimmer-Häuschen. Auf der einen Seite befand sich eine Feuerstelle, auf der anderen standen in zwei mit Vorhängen abgetrennten Nischen die Betten. Die Vordertür führte auf einen schlammigen Pfad hinaus, welcher die Grube mit dem Talgrund verband und dort auf die Straße stieß, die zur Kirche, zum Schloß und in die Außenwelt führte. Ihr Wasser bezogen sie aus einem Bergbach hinter der Häuserzeile.
Den ganzen Rückweg über hatte sich Mack den Kopf über die Ereignisse in der Kirche zerbrochen, aber kein Wort darüber verloren, und Esther hatte taktvoll auf neugierige Fragen verzichtet. Bevor sie am Morgen aufgebrochen waren, hatten sie ein Stück Speck zum Kochen aufgesetzt. Nun, bei ihrer Heimkehr, duftete das ganze Haus danach, ließ Mack das Wasser im Munde zusammenlaufen und hellte ihre düstere Stimmung ein wenig auf. Esther schnippelte einen Kohlkopf in den Topf, und Mack holte bei Mrs. Wheighel gegenüber einen Krug Bier. Die beiden aßen mit dem gewaltigen Appetit von Menschen, die schwere körperliche Arbeit leisten.
Als das Essen verzehrt und das Bier getrunken war, rülpste Esther und sagte: »Also, was hast du vor?«
Mack seufzte. Nun, da ihm die Frage direkt gestellt wurde, wußte er, daß es nur eine einzige Antwort gab. »Ich muß fort von hier. Nach alldem, was heute geschehen ist, kann ich nicht bleiben. Mein Stolz läßt das nicht zu. Bliebe ich hier, wäre ich für alle jungen Leute im Tal ein lebendes Zeichen dafür, daß man gegen die Jamissons nicht aufbegehren kann. Ich muß fort.«
Er versuchte, ruhig zu bleiben, aber seine Stimme zitterte vor Erregung.
»Ich dachte mir schon, daß du das sagen würdest.« Tränen standen in Esthers Augen. »Du stellst dich gegen die mächtigsten Menschen im ganzen Land.«
»Aber ich bin im Recht.«
»Aye, aber auf Recht oder Unrecht kommt es in dieser Welt nicht an - erst in der nächsten.«
»Wenn ich jetzt nicht gehe, komme ich nie hier raus - und jammere den Rest meines Lebens darüber, daß ich es nicht getan habe.«
Esther nickte traurig. »Das stimmt schon. Aber was ist, wenn sie dich daran hindern?«
»Wie das?«
»Sie könnten die Brücke bewachen lassen.«
Der einzige andere Weg aus dem Tal hinaus führte über die Berge, war aber zu lang; die Jamissons würden ihn drüben abfangen. »Wenn sie die Brücke sperren, schwimme ich durch den Fluß.«
»Bei der Wasserkälte in dieser Jahreszeit wirst du das kaum überleben.«
»Der Fluß ist fünfundzwanzig bis dreißig Meter breit. Das schaffe ich in ungefähr einer Minute, denke ich.«
»Wenn sie dich erwischen, legen sie dir ein Eisenhalsband um wie Jimmy Lee und bringen dich zurück.«
Mack zuckte zusammen. Wie ein Hund mit einem Halsband herumlaufen zu müssen war eine bei allen Kumpeln gefürchtete Demütigung. »Ich bin cleverer als Jimmy Lee«, sagte er. »Als ihm das
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