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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gerade noch rechtzeitig auf die Füße. Jetzt fiel ihm das Rückwärtslaufen schon etwas leichter, doch mit der Übung kamder Übermut: Er glitt auf dem teilweise vereisten Schlamm aus, und sofort war das Pferd über ihm. Mack drehte sich zur Seite und versuchte verzweifelt, den Hufen zu entgehen. Ein oder zwei Sekunden wurde er neben dem Pferd hergeschleift, dann verlor er endgültig die Kontrolle über seinen Körper und geriet unter die Hufe. Die Mähre trat ihn in den Bauch, traf seinen Oberschenkel und blieb stehen.
    Sie zerrten Mack hoch und trieben das Pferd wieder an. Der Tritt in den Bauch hatte ihm die Luft genommen, und sein linkes Bein war geschwächt. Aber er hatte keine Wahl. Humpelnd setzte er seinen Rückwärtslauf fort.
    Mack biß die Zähne zusammen und versuchte, einen Rhythmus zu finden. Er hatte früher schon andere diese Strafe erleiden sehen, Jimmy Lee zum Beispiel. Sie hatten überlebt, aber alle waren sie gezeichnet: Die Narbe über Jimmys linkem Auge war die Folge eines Pferdetritts. Vor allem aber brannte der Gedanke an die erlittene Demütigung wie Feuer in seiner Seele. Auch er, Mack, würde die Folter überstehen. Kälte und Schmerzen ließen seine Sinne allmählich abstumpfen. Er hatte nichts anderes mehr im Kopf, als auf den Beinen zu bleiben und den tödlichen Hufen zu entgehen.
    Mit der Zeit empfand er eine gewisse Schicksalsgemeinschaft mit dem Pferd: Beide waren sie angeschirrt, beide gezwungen, ständig im Kreis zu laufen. Jedesmal wenn der Knecht die Peitsche knallen ließ, rannte Mack ein wenig schneller, und wenn Mack stolperte, schien das Pferd von sich aus ein wenig langsamer zu gehen, um ihm die Chance zu geben, sich wieder aufzurappeln.
    Gegen Mitternacht erlebte Mack die Ankunft der Hauer. Auf dem Weg hinauf zum Schacht unterhielten sie sich angeregt, manche scherzten laut und riefen sich etwas zu oder stießen einander in die Rippen. Doch als sie vor dem Grubeneingang Mack erblickten, verstummten sie. Sobald ein Kumpel seine Schritte verlangsamte und Anstalten machte stehenzubleiben, brachten die Aufseher drohend ihre Musketen in Anschlag. Mack hörte Jimmys empörte Stimme und nahm am Rande seines Blickfelds wahr, wie drei oder vier Kumpel Lee umringten, bei den Armen nahmen und ihn zum Schachteingang drängten, um ihm neuerlichen Ärger zu ersparen.
    Mack verlor allmählich jegliches Zeitgefühl. Die Trägerinnen und Träger kamen, Frauen und Kinder, die sich auf dem Weg hinauf zum Schacht lebhaft unterhielten und dann, als sie Macks ansichtig wurden, genauso verstummten wie zuvor die Männer. Nur Annie schrie: »O Gott, sie haben Mack in die Tretmühle gesteckt!« Die Aufseher der Jamissons hinderten sie daran, zu ihm zu kommen, aber sie rief: »Esther sucht dich, Mack! Ich hole sie!«
    Wenig später erschien seine Schwester tatsächlich. Ehe die Aufseher einschreiten konnten, brachte sie das Pferd zum Stehen und hielt Mack eine Flasche mit heißer, gesüßter Milch an die Lippen. Es schmeckte wie das Lebenselixier schlechthin, und er stürzte so schnell so viel in sich hinein, daß er beinahe daran erstickt wäre. Noch bevor Esther von den Aufsehern weggezerrt wurde, gelang es ihm, die Flasche auszutrinken.
    Die Nacht schleppte sich dahin, als dauere sie ein ganzes Jahr. Die Aufseher legten ihre Musketen ab und setzten sich an die Feuerstelle des Pferdeknechts. Die Trägerinnen stiegen aus dem Schacht empor, entleerten an der Halde ihre Körbe und stiegen wieder in die Grube, ein endloses Kommen und Gehen. Als der Knecht das Pferd wechselte, hatte Mack ein paar Minuten Ruhe, doch das frische Pferd ging entsprechend schneller.
    Irgendwann merkte er dann, daß es wieder hell war. Jetzt konnten es nur noch ein oder zwei Stunden sein, bis die Hauer ihre Arbeit beendeten, aber eine Stunde dehnte sich wie die Ewigkeit.
    Ein Pony kam die Anhöhe herauf. Aus dem Augenwinkel sah Mack, daß der Reiter absaß und ihn anstarrte. Er riskierte einen kurzen Blick in seine Richtung - und erkannte Lizzie Hallim. Sie trug denselben schwarzen Pelzmantel wie in der Kirche. Will sie sich über mich lustig machen, fragte er sich. Er fühlte sich gedemütigt und wünschte, sie würde wieder gehen. Doch als er einen zweiten Blick auf ihr Koboldgesicht erhaschte, war da von Hohn und Spott keine Spur zu erkennen, sondern nur Mitleid, Wut und noch etwas anderes, auf das er sich keinen Reim machen konnte.
    Ein zweites Pferd kam den Weg herauf. Robert saß ab. Mack konnte nicht verstehen, was er

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