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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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übertraf seine Vorstellungen bei weitem: die Hitze, die qualmenden Öllampen, die phantastischen Kostüme, die geschminkten Gesichter. Vor allem aber erstaunte ihn die Lebendigkeit, mit der hier menschliche Gefühle dargestellt wurden - Wut, Leidenschaft, Liebe, Neid und Haß. Es war fast wie im wirklichen Leben, und entsprechend aufgeregt schlug sein Herz.
    Als Shylock herausgefunden hatte, daß seine Tochter fortgelaufen war, stürzte er barhäuptig und mit fliegenden Locken auf die Bühne, rang in ohnmächtiger, wütender Trauer die Hände und schrie gequält wie ein Mensch im Fegefeuer: »Du wußtest es!« Und als er sagte: »Bin ich ein Hund, so meide meine Zähne!«, schoß er vor, als wolle er sich über die Bühnenlichter ins Publikum stürzen, und alle Zuschauer zuckten vor Schreck zurück.
    Beim Verlassen des Theaters fragte Mack Dermot: »Sind alle Juden so?« Er war, soweit er sich erinnern konnte, noch nie einem Juden begegnet, doch kannte er die Juden aus der Bibel, und von denen hatte er ein anderes Bild.
    »Ich kenne einige Juden«, sagte Dermot, »aber so einer wie Shylock ist mir, Gott sei Dank, noch nie untergekommen. Geldverleiher sind allerdings überall verhaßt. Wenn du mal knapp bei Kasse bist - gut, da brauchst du sie. Die Schwierigkeiten fangen an, wenn's an die Rückzahlung geht.«
    In London lebten nur wenige Juden, aber viele Ausländer. Da gab es die Laskaren, dunkelhäutige Seeleute aus Asien, es gab französische Hugenotten, Tausende von Afrikanern mit sattbrauner Haut und dicht gekräuseltem Haar - und natürlich zahllose Iren wie Dermot. Für Mack waren sie alle Teil jener prickelnden, lebendigen Atmosphäre, die in der Stadt herrschte. In Schottland sahen alle Leute gleich aus.
    Er liebte die Stadt. Jeden Morgen, wenn er erwachte und sich klarmachte, wo er sich befand, verspürte er eine innere Erregung. London war voller Sehenswürdigkeiten und Überraschungen. Immer wieder traf man interessante Menschen und erlebte Neues. Er mochte den lockenden Duft aus den vielen Kaffeehäusern in der Stadt, obwohl er es sich gar nicht leisten konnte, Kaffee zu trinken. Er staunte über die bunten Farben der Kleider - Männer und Frauen trugen leuchtendes Gelb, Violett, Smaragdgrün, Scharlachrot, Himmelblau… Er hörte das entsetzte Gemuhe und Geblöke der Rinder und Schafe, die herdenweise durch die engen Straßen zu den städtischen Schlachthäusern getrieben wurden. Er versuchte, den Horden von halbnackten Kindern auszuweichen, die bettelnd und stehlend durch die Straßen vagabundierten. Mack sah Huren und Bischöfe, besuchte Stierkämpfe und Versteigerungen, kostete Bananen, Ingwer und Rotwein. Alles war aufregend, doch das beste war, daß er frei darüber entscheiden konnte, wo er hinging und was er tat.
    Natürlich mußte er sich seinen Lebensunterhalt verdienen, und das war alles andere als leicht. In London wimmelte es von hungernden Familien aus ländlichen Gebieten, wo sie sich nach zwei aufeinanderfolgenden Mißernten nicht mehr ernähren konnten. Es gab Tausende von Seidenwebern mit Handwebstühlen, die, wie Mack von Dermot wußte, durch die Errichtung neuer Fabriken im Norden des Landes ihre Arbeit verloren hatten. Auf jede freie Stelle kamen fünf verzweifelte Bewerber. Wer Pech hatte und keine Arbeit fand, mußte betteln, stehlen, auf den Strich gehen oder verhungern.
    Dermot war selber Weber. Er lebte mit seiner Frau und fünf Kindern in zwei kleinen Zimmern in Spitalfields. Um über die Runden zu kommen, mußten sie Dermots Arbeitszimmer untervermieten - an Mack. Er schlief dort auf dem Boden neben dem großen stillstehenden Webstuhl, der ihm wie ein Denkmal für die Risiken des Großstadtlebens vorkam.
    Mack und Dermot gingen gemeinsam auf Arbeitssuche. Manchmal stellte man sie als Kellner in Kaffeehäusern an, aber das dauerte meist nicht viel länger als einen Tag: Mack war zu groß und zu ungeschickt zum Tragen von Tabletts und zum Einschenken in kleine Becher und Dermot zu stolz und zu empfindlich. Früher oder später beschimpfte er einen Gast und schon war er die Stelle wieder los. Einmal hatte Mack eine Anstellung als Diener in einem großen Haus in Clerkenwell bekommen, die er jedoch gleich am nächsten Morgen wieder kündigte, nachdem der Hausherr und seine Gemahlin ihn aufgefordert hatten, das Bett mit ihnen zu teilen.
    An diesem Tag hatte er als Träger gearbeitet und auf dem  Markt am Kai von Billingsgate riesige Fischkörbe geschleppt. Zunächst hatte er

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