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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Dorade. Die Metamorphose erinnerte ihn unangenehm an das Erlebte im Gerichtssaal. Er hatte den Saal als Prinz betreten, von der Sensationspresse in leuchtenden Farben beschrieben, und hatte ihn als getretener, schmutziger Hund mit eingeklemmtem Schwanz verlassen.
    Das Schlimmste war, dass er nicht wusste, was er falsch gemacht hatte. Er hatte unter Eid gestanden, vereidigt auf einen Gott, den er nicht sonderlich achtete, aber auch auf Deutsch-Ostafrika, auf die Mitbürger und auf das Gericht. Obgleich er nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit gesagt hatte, war er zu ihrem Spielball geworden. Sie hatten ihn wie ein naives Kind gönnerhaft zurechtgewiesen. Juristen waren wirklich abscheulich, sie waren Wortklauber, die mit Tricks, Finten und Bagatellen Schwarz in
Weiß verwandelten. Hätte er nur die Gefangenen an Ort und Stelle erschossen.
    Nein! Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Entsetzen, noch ehe er ihn zu Ende gedacht hatte. In der germanischen Zivilisation erschoss man keine Gefangenen, am allerwenigsten, um die eigene Unzulänglichkeit zu kaschieren.
    Jetzt war die Dorade grau.
    Er warf erneut seine Angelleine ins Wasser, musste sich aber jetzt mit einigen Barrakudas begnügen, die das Personal essen würde, und einigen kleinen gelbflossigen Thunfischen, die im Restaurant des Clubs serviert werden würden.
    Sie kehrten mit der letzten auflaufenden Flut kurz vor Einbruch der Dunkelheit an den Strand zurück. Nachdem sie das Boot an Land gezogen hatten, verabschiedete er sich von den Männern mit dem Swahili-Händedruck, bei dem man sich die Hand gab und sie dann rasch drehte, sodass sich die Daumen verhakten. Die Männer lächelten und nannten ihn zum Abschied »Bwana Dorade«.
    Er war gerade ein paar Schritte gegangen, da donnerte es. Ein Wolkenbruch setzte ein. Er ging schneller. Seine Kleider waren mit Fischschuppen bedeckt und mussten ohnehin in die Wäsche. Der lauwarme Regen war wie ein reinigendes Bad, und seine Laune wurde besser.
    Er war vollkommen durchnässt, als er das Gästehaus der Gesellschaft betrat. Auf dem Weg hoch in sein Zimmer ließ er eine Wasserspur zurück. Er legte alle Kleider in einen Wäschesack, zog einen Bademantel über und ging in den Duschraum. Nachdem er lange geduscht und die Haare gewaschen hatte, rasierte er sich gründlich und genüsslich beim Schein einer flackernden Petroleumlampe. Draußen blitzte es, und der Regen prasselte.
    Er zog seinen weißen Leinenanzug an, wählte einen smaragdgrünen Schlips, der an die Dorade erinnerte, und ging dann durch den schmalen Korridor, die Abkürzung hinunter ins Restaurant des Clubs. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er seit seinem zeitigen Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Er war hungrig wie ein Wolf. Wie ein Löwe, berichtigte er sich selbst.
    Der große Speisesaal war ungewöhnlich gut besucht. Es war nicht schwer zu erraten, was das große Gesprächsthema war: der Prozess gegen die Kannibalen. Seine hart erkämpfte gute Laune verpuffte rasch. Er würde keinen Tisch für sich allein bekommen, und egal, wo er Platz nahm, würde man ihn über die Kannibalen, das Gefecht, Leichen, die an Krokodile verfüttert worden waren, und schlimmstenfalls über das Verspeisen von Roselinde vor den Augen ihrer Eltern ausfragen. Die Deutschen waren in dieser Hinsicht erstaunlich unsensibel, insbesondere die afrikanischen Deutschen.
    Er blieb unschlüssig stehen und sah sich um. Man winkte ihm von mehreren Tischen zu, dass er doch Platz nehmen solle. Da kam ihm einer der indischen Kellner zu Hilfe. Er eilte auf ihn zu und flüsterte ihm ins Ohr, Dr. Goldmann speise in einem der Separees im Obergeschoss und lade den Herrn Diplomingenieur ein. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Der alte Richter hatte hoffentlich noch andere Themen auf Lager als die Essgewohnheiten der Kinandi. Oscar verbeugte sich kurz und entschuldigend in Richtung einiger Leute, die ihn an ihren Tisch bitten wollten, und eilte hinter dem Kellner her.
    Dr. Goldmann saß allein zwischen zwei Petroleumlampen in einem kleinen Zimmer mit Blick aufs Meer. Das
Gewitter hatte in einem Teil des Hauses die Elektrizität lahmgelegt. Als Oscar eintrat und sich verbeugte, gingen seine begrüßenden Worte in einem längeren Donnergrollen unter. Gleichzeitig blitzte es mehrmals vor dem Fenster, und das Zimmer wurde blendend weiß erleuchtet. Von dem, was der alte Richter sagte, verstand er ebenfalls kein Wort, deutete seine Geste jedoch so, dass er Platz nehmen solle.
    »Es freut mich

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