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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Norweger doch wissen! Dort hatte Frithjof seinen Hof. Genau dort. Außerdem liebt der Kaiser das Hotel auf der anderen Fjordseite, wie heißt es noch gleich? Richtig! Kviknes.«
    Der Fjellwind blies Lauritz kalt ins Gesicht. Mit zunehmender Dunkelheit fiel die Temperatur. Er blieb stehen, um den Anorak aus seinem Rucksack zu nehmen, denn es sah nach Regen aus.
    Es war so unglaublich dumm, dass es fast allen Vorstellungen spottete. Weil dort der Hof des Frithjof gewesen ist, hatte dieser beschränkte Wikingerfantast gesagt. Aber Frithjof war, verdammt noch mal, eine Fantasiefigur aus einem langatmigen Versepos, noch dazu eines schwedischen Autors! Eine Fantasiefigur, die weder in Vangsnes, im Kviknes-Hotel noch sonst wo gelebt hatte. Und wie würde die zwanzig Meter hohe Statue wohl aussehen? Vermutlich trug sie einen Helm mit Gänseflügeln oder Kuhhörnern.
    Er selbst war noch nie am Sognefjord gewesen, der Kaiser aber offenbar schon. In mancherlei Hinsicht waren die Deutschen schon verrückt, es war eine Schande, das sagen
zu müssen, denn was Kultur und Wissenschaft betraf, waren sie weltweit tonangebend.
    »Dann hätte ich nur noch einen letzten Wunsch«, hatte er erneut angehoben, nachdem er verworfen hatte, über Wikingerromantik zu polemisieren. »Beim nächsten Seglerdiner wäre es mir eine Ehre, Ingeborg zu Tisch führen zu dürfen.«
    Er hatte einen weiteren Wutausbruch erwartet, stattdessen lächelte ihn der Baron amüsiert an.
    »Genehmigt!«, erwiderte der Baron. »Aber heute Abend findet das kaiserliche Bankett statt, bei dem aus naheliegenden Gründen keine Mitsegler zugelassen sind, außer denen der kaiserlichen Jachten. Morgen fahren schon alle nach Hause. Aber wenn Sie mir die Gunst erweisen wollen, mir während der nächsten Kieler Woche beizustehen, werde ich bei dem ersten familiäreren Diner dafür sorgen.«
    Dazu gab es nichts weiter zu sagen. Lauritz erhob sich, verbeugte sich und verließ die Ellida .

    Bald würde er wieder in Hallingskeid sein. Er sah bereits das Ingenieurshaus. Während der letzten Stunde war er rascher vorwärtsgekommen. Wahrscheinlich, weil seine Gedanken an seinen Todfeind, den Baron, seinen Adrenalinspiegel erhöht hatten. Todfeind? Nein, das war eine Übertreibung, Todfeinde hatte er keine.
    Im Haus vor ihm brannte kein Licht. Entweder waren Berner und Guttormsen bereits zu Bett gegangen, oder sie übernachteten auf den Baustellen. Gleich würde er eine Daunendecke über sich und Ingeborg ziehen. Erst würde er frieren, aber bald würde es ihm warm werden. Insbesondere wenn er von ihr träumte.
    Ingeborg …
    Nein, noch etwas Geduld, bis er im Bett war. In seinen Gedanken war sie ohnehin stets bei ihm. Als ein besonderer Duft oder eine hübsche Melodie im Hintergrund. Bald würden sie eng umschlungen einschlafen. Aber zuerst zu Oscar.
    In der Messe der Mitsegler, zu der nur Segler in Uniform Zutritt hatten, hatten die meisten großen deutschen Zeitungen ausgelegen. Dort hatte er zufällig ein Foto auf der Titelseite einer Zeitung entdeckt, die ein Mitsegler der Kaiserfamilie, der ihm gegenübersaß, in Händen gehalten hatte. Er hatte ungeduldig, aber höflich abgewartet, bis sein Kollege seine Lektüre beendet hatte. Er konnte sich natürlich geirrt haben, da er nur einen recht kurzen Blick auf das Foto erhascht hatte. Aber ein Bruder erkannte doch wohl seinen eigenen Bruder?
    Als er die Zeitung endlich in den Händen hielt, sah er die Bildunterschrift: Oscar Lauritzen .
    Das war ein unerhörter Augenblick gewesen. Noch jetzt, verschwitzt hoch oben im Fjell, überlief ihn derselbe Schauder wie in jenem Moment.
    Der lange Artikel hatte von bedeutenden Männern in Deutsch-Ostafrika gehandelt, und ein Absatz war dem Großwildjäger und Eisenbahningenieur Oscar Lauritzen gewidmet, einem Helden, der das neue, afrikanische Deutschland mit aufbaute. Auf einem Foto war er mit einem breitkrempigen Hut und einem Gewehr in der Armbeuge zu sehen, mit einem Patronengurt schräg über der Brust und einer Pfeife im Mund. Hatte er angefangen zu rauchen? Eine ungesunde Angewohnheit, wenn man nicht nur hin und wieder eine einzelne Zigarre nach einem besseren
Essen rauchte. Oscar schien jedoch in guter Form zu sein, er war breitschultrig und schlank. Das Foto ließ ihn an den Wilden Westen und Karl May denken.
    In dem ausführlichen Artikel wurde dramatisch beschrieben, wie Oscar menschenfressende Löwen getötet und die Bauarbeiter vor zornigen Nashörnern und Elefanten beschützt

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