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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Häuser. Zu Fuß war es von zu Hause dorthin nicht weit, also brauchten sie kein Auto.
    Eine Kindheitserinnerung ist ein durchaus plausibler Grund für den Erwerb eines Hauses, hätte ihr Vater vermutlich gesagt. Aber dieser verstand weder von Geschäften noch von Architektur etwas, er war einfach nur »natürlich
reich«, mit diesem Ausdruck grenzte er sich von den Leuten ab, die auf vulgäre Art, durch Arbeit, reich geworden waren. Wie Lauritz.
    Lauritz’ wiederholte Siege während der Kieler Wochen hatten jedoch in den Augen ihres Vaters den Makel des »neuen« Geldes aufgewogen. Wer die Kieler Woche beherrschte, beherrschte in den Augen ihres Vaters alles.
    Sie hatte ihrem Vater jedoch verziehen. An jenem Nachmittag auf der Ran , an dem er Lauritz das Du angeboten hatte, hatte sie ihm alles verziehen.
    Und jetzt erwartete sie wieder so ein Moment. Sie hatte noch nichts entschieden und musste improvisieren.
    Eines der Dienstmädchen hielt hinter der angelehnten blauen Haustür Ausschau nach ihr und schloss sie behutsam, damit Ingeborg nicht mitbekam, dass sie dort gestanden hatte. Offenbar war zu Hause etwas im Gange. Ingeborg lachte leise in sich hinein. Ein ungewöhnlich liebevoller Empfang schien sich anzubahnen, da sie mit ungewöhnlich guten Neuigkeiten erschien.
    Auf dem kurzen Kiesweg zur Haustür hatte sie immer noch keinen Entschluss gefasst, erwog aber, die Neuigkeit direkt und ohne Umschweife zu verkünden.
    Als sie die Hand an die Klingel hob, flog die Tür überraschend auf, und Lauritz stand mit den Kindern an der Hand vor ihr. Sie küsste ihn und kniete sich hin, um die Kinder zu umarmen. Harald trug einen Matrosenanzug und Johanne ein in Anbetracht ihres Alters etwas zu elegantes, kobaltblaues Kleid.
    »Geliebte Frau! Willkommen zu Hause, willkommen in einem neuen Leben, es sind wunderbare Dinge geschehen!« , begrüßte Lauritz sie.
    »Was für Dinge?«, fragte Ingeborg mit der wie besessen küssenden Johanne auf dem Arm.
    »Beim Abendessen! Beim Abendessen werde ich dir alles erzählen, meine Liebe!«, rief er, drehte sich um und ging ins Herrenzimmer.
    Es war nichts Ungewöhnliches, dass er, wenn sie samstagnachmittags nach Hause kam, mit der Arbeit nicht ganz fertig war, und während er sie beendete, beschäftigte sie sich mit den Kindern, bis es Zeit zum Abendessen, schlimmstenfalls mit Gästen, war.
    Einen Anlass, enttäuscht zu sein, gab es also eigentlich nicht. Eines der Kindermädchen begleitete sie ins Obergeschoss. Ingeborg trug Johanne auf dem Arm, und Harald, der groß genug war, um selbst die Treppe hinaufzugehen, und sich keinesfalls von dem Kindermädchen tragen lassen wollte, folgte ihnen und versuchte verzweifelt, sich an einer Unterhaltung mit seiner Mutter zu beteiligen.
    Diese erste Stunde war immer von Verwirrung geprägt. Die Kinder sprachen ein Gemisch aus Deutsch und Norwegisch, das nur sie verstand. Eigentlich war ausgemacht, dass beide Eltern mit den Kindern deutsch sprachen, das Personal natürlich immer norwegisch.
    Lauritz schummelte, deswegen die Verwirrung nach ihrer Heimkehr. Sie zog sich rasch ihre Reisekleider aus, während das Kindermädchen im Kinderzimmer neue Spielsachen heraussuchte. Dieses Mal war es ein großes weißes Schaukelpferd mit schwarzen Flecken und einer echten Rosshaarmähne, auf dem jedes der Kinder zuerst reiten wollte. Ingeborg tat so, als würde sie das Los entscheiden lassen, und hob dann Johanne als Erste auf das Schaukelpferd.
    Als die Kinder ihr Abendessen bekamen, lag sie in einem angenehm temperierten Schaumbad in dem nach ihrem Geschmack etwas zu großen Raum, den sie als »römisches Bad« bezeichnete. Das Wasser liebkoste ihren Körper, die Temperatur war perfekt. Sie dachte erneut darüber nach, wie sie die große Neuigkeit, dass sie einen neuen Hausarzt bekommen hätten, am besten vorbringen konnte.
    Während eines der Hausmädchen ausgiebig ihr Haar bürstete, das sie nicht gewaschen hatte, weil es bis zum Abendessen nicht trocken geworden wäre, erinnerte sie sich wieder an ihr Hochgefühl im Zug.
    Sie war einfach nur glücklich, obwohl das der Aufgabe einer Intellektuellen im Leben zuwiderlief. Sie lebte in einem wunderbaren, friedlichen Land ohne Kaiser, in dem die Frauen wählen durften, in einem wunderbaren, schönen Haus, sie hatte zwei reizende Kinder und einen wunderbaren modernen Mann, obwohl er an Gott glaubte, und sie würde bald eine Arztpraxis für die Frauen Bergens eröffnen. Und sie liebte. Obwohl sie seit sechs

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