Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
die Rede.«
Ihre verärgerten Nachbarn ermahnten sie erneut, dass sie leise sein sollten, und sie sahen beide ein, dass dies nicht die passende Gelegenheit war, Kritik zu üben oder, noch schlimmer, Witze über Vorstellungen von rein germanischem Blut, Einigkeit und Stärke zu machen.
Der Kaiser setzte seine donnernde Rede noch eine Weile fort. Sie wurde mit stürmischem Jubel aufgenommen. König Haakon hielt anschließend, soweit man das nach seiner nicht immer mühelos zu verstehenden Mischung aus Dänisch und Norwegisch beurteilen konnte, eine wesentlich gemäßigtere Rede, in der er sich für das Geschenk bedankte und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Freundschaftsbande zwischen Norwegen und Deutschland auch in Zukunft stark sein würden.
Anschließend wurden den Ehrengästen Erfrischungen serviert.
Die Gäste innerhalb der Absperrung wurden von deutschen Adjutanten einzeln oder in Gruppen dem Kaiser und dem König vorgestellt. Lauritz, Christian und Halfdan trugen die Seglerkleidung, die sie auch bei der Kieler Woche getragen hatten. Das war vollkommen korrekt, obwohl einige Norweger, die im Frack erschienen waren, ihre einfache Aufmachung mit fragender Miene oder geradezu verächtlich betrachteten.
Als sie alle sechs zum Kaiser gerufen wurden, schickte der Kaiser den Offizier, der mit der Namensliste bereitstand, um die Gäste zu präsentieren, sofort weg.
»Danke! Wir wissen Bescheid«, sagte er. »Herr Meistersegler Lauritzen, es ist mir eine Freude, Ihnen zu begegnen, ohne Ihnen meinen eigenen Siegerpokal überreichen zu müssen. Ich hoffe, dass wir uns bei der Kieler Woche neunzehnhundertvierzehn wiedersehen!«
»Mit Sicherheit, Eure Kaiserliche Hoheit«, antwortete Lauritz mit einer Verbeugung.
»Gut, sehr gut! Ich stand übrigens auf der Pier und hatte das Vergnügen, den Spinnaker der Ran eine Weile von vorne betrachten zu können. Ausnahmsweise, sozusagen. Und das hier ist Ihre Besatzung, sehe ich!« Er kannte in der Tat die Namen Christians und Halfdans, begrüßte sie herzlich und scherzte über eine Revanche bei der nächsten Regatta. Anschließend stellten die beiden ihre Frauen Alberte und Marianne vor.
Als Letzte begrüßte er Ingeborg, die einen tiefen, sittsamen Knicks machte. Der Kaiser nannte sie weiterhin Freiherrin, als hätte sie seinerzeit nicht unter ihrem Stand geheiratet.
Während dieser ungewöhnlich langen Audienz, die Schlange hinter ihnen war immer länger geworden, verharrte König Haakon reglos wie eine Statue und wartete darauf, an die Reihe zu kommen. Er hatte die Unterhaltung natürlich mit angehört und musste jetzt alle nur noch kurz begrüßen. Außer Lauritz.
»Ich habe mir sagen lassen, dass Sie ein ausgezeichneter Segler sind, Herr Lauritzen«, sagte er. »Im Übrigen ist das ein schönes Vorsegel. Mein Sohn Olav interessiert sich sehr für das Segeln, dürfte ich Sie ihm vielleicht vorstellen?«
»Natürlich. Das wäre eine große Ehre, Königliche Hoheit«, antwortete Lauritz und verbeugte sich tief.
Aufgrund des Gedränges kam die Menschenschlange Richtung Hafen nur langsam voran. Lauritz und Ingeborg und ihre Gäste hatten es nicht eilig, zumindest nicht die Herren. Es waren noch drei Stunden, bis sie zur Hohenzollern abgeholt werden würden.
Die Verärgerung der Frauen in der sich nur langsam bewegenden Schlange nahm zu, obwohl es sie mit fröhlicher Aufgeregtheit erfüllt hatte, sowohl den Kaiser als auch den König begrüßen zu dürfen. Alberte erklärte sich überwältigt davon, der kleinen, auserwählten Schar norwegischer Bürger anzugehören, die Deutschland sozusagen besonders nahestünden. Wieder erwähnte sie, dass ihre Bergener Bekannten sicherlich vor Neid erblassen würden. Ihr Mann Christian stimmte ihr zu, nicht was den Neid betraf, sondern dass es gut sei, Deutschland so nahezustehen.
Erst an Bord verstanden die drei Männer, warum die Frauen so echauffiert waren. Sie verschwanden nämlich sofort unter Deck, während die Männer in aller Ruhe einen ungewöhnlich guten Moselwein tranken.
Aus dem Salon waren gedämpfte, aber drastische Flüche der Frauen zu hören, die sich vor einem Spiegel, der gerade mal zum Rasieren ausreichte, für ein Galadiner fertig machen wollten.
Die Sonne schien, und die Wellen glucksten am Rumpf der Ran . Am 31. Juli 1913 herrschte Frieden auf Erden. Am Horizont war kein einziges Wölkchen zu entdecken, weder am Sognefjord noch in der Politik.
XXI
OSCAR
Daressalam, August 1914
Es war, wie wenn
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