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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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übersät, die Ufer wurden von unzähligen Zuschauern gesäumt. In Vangsnes, wo der Kaiser persönlich die Statue enthüllen wollte, schließlich handelte es sich um sein Geschenk an die Norweger, kam es in dem Gedränge zu Panik, und mehrere Zuschauer fielen ins Wasser.
    Der Bereich um die Statue war mit kräftigen Seilen abgesperrt, und Offiziere der deutschen Marine vergewisserten sich, dass nur Personen mit entsprechenden Gästekarten dorthin vorgelassen wurden, wo sich die Ehrengäste versammelt hatten, um sich die Reden des Kaisers und König Haakons VII. anzuhören. Außerhalb des abgesperrten Bereichs würde natürlich kein Wort zu verstehen sein, aber die Reden würden in allen norwegischen und vermutlich auch allen deutschen Zeitungen nachzulesen sein. Keinem Germanen würden die Weisheiten entgehen.
    Der Kaiser – König Haakon zu seiner Rechten, beide in prächtigen Admiralsuniformen – erschien pünktlich. Das Orchester der deutschen Marine spielte die Nationalhymnen. Anschließend zog der Kaiser an einem Seil. Nichts geschah. Er zog ein weiteres Mal fester, und jetzt stürzte die enorme Abdeckung herab, und ein glänzender Bronzegott, der sich auf ein Schwert stützte und einen Arm fast nachlässig in die Hüfte stemmte, kam zum Vorschein. Vom Schlachtschiff Vaterland auf dem Fjord wurde Salut geschossen,
und einhelliger Jubel stieg in den hellen Sommerhimmel.
    Der Kaiser war für seine bombastischen Reden bekannt. Lauritz und Ingeborg wussten also in etwa, was sie erwartete, als der Kaiser an ein Rednerpult trat, das mit den Kriegsflaggen Norwegens und Deutschlands geschmückt war.
    »Ich bitte dich, nicht zu lachen, solange wir hier stehen«, flüsterte Lauritz Ingeborg zu.
    Der Kaiser stand reglos am Rednerpult und wartete, bis es in seiner Nähe ganz still geworden war. Dann holte er tief Luft, als nähme er Anlauf, und sprach seinen ersten bombastischen Satz:
    »Diese Statue, dieser Frithjof, ist nicht nur ein Ausdruck meiner Dankbarkeit Norwegen gegenüber, sondern sie ist noch mehr ein Symbol dafür, dass alle germanischen Stämme zusammengehören.«
    Bereits hier musste er eine kleine Pause einlegen, weil spontaner Beifall ausbrach. Und als das Publikum außer Hörweite mitbekam, dass die, die etwas hören konnten, applaudierten, klatschte es ebenfalls. Hurrarufe verzögerten den Fortgang um ein Weiteres.
    »Frithjof …«, hob er an, musste aber erneut innehalten, bis es wieder still war. »Frithjof, der hier auf sein Schwert, die edelste und liebste Waffe der Germanen, gestützt steht, möge die Germanen, Skandinavier und Angelsachsen daran erinnern, dass sie alle von einem Stamm und Blut sind. Gott stellt uns ständig vor neue Aufgaben, denen wir uns geeint stellen, zu Nutz und Frommen der Menschheit. Daran sollen sich alle, das wünsche ich mir, die meinen Frithjof sehen, erinnern!«
    Neuer stürmischer Applaus und Hurrarufe.
    So ging es eine ganze Weile weiter.
    »Wie hoch, glaubst du, ist diese Statue?«, flüsterte Ingeborg.
    »Zwischen fünfundzwanzig und sechsundzwanzig Meter«, flüsterte Lauritz zurück. »Man muss schon dankbar sein, dass sie keine Gänseflügel am Helm hat wie euer Hermann.«
    »Aber Hermann ist doppelt so hoch.«
    »Mehr als das. Ich glaube, dreiundfünfzig Meter. Aber er hat immerhin die Römer besiegt, deswegen bleibt es uns erspart, italienisch zu sprechen. Frithjof ist trotz allem nur eine Fantasiefigur, die von einem schwedischen Dichter im Delirium erschaffen wurde.«
    Die Leute vor ihnen legten die Finger an die Lippen, und sie gaben sofort vor, den Ausführungen des Kaisers über germanisches Blut mit Interesse zu folgen, bis Ingeborg erneut die Geduld verlor und eine weitere Frage flüsterte.
    »Was haben die Engländer, die Angelsachsen, mit unseren Germanen zu tun?«
    »Meine geliebte Ingeborg, das solltest doch gerade du wissen. Königin Victoria ist seine Großmutter, also sind die Angelsachsen ebenfalls Germanen mit ebenso gutem Blut wie wir.«
    »Da wäre es doch wunderbar, wenn wir zusammenhielten, sodass die Kriegsschiffe nur bei Gelegenheiten wie diesen verwendet würden. Ich habe nichts dagegen, dass man sich mit den Engländern einig ist.«
    »So hat der Kaiser das vermutlich nicht gemeint. Das war eher eine Höflichkeitsfloskel. Denk daran, was unter der Hermann-Statue steht. Erinnerst du dich?«
    »Nein. Vermutlich was mit Einigkeit?«
    »Ja. Deutsche Einigkeit, meine Stärke. Meine Stärke, Deutschlands Macht. Von Angelsachsen ist da nicht

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