Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Sie finden also, dass das ein Missverständnis war?«
    »Ja, Herr Major. Das ist ein Missverständnis.«
    »Gut! Sie sind hier in Dar ein geachteter Mann, Herr Oberingenieur. Sonst würde ich an ein solches Gesuch keinen Gedanken verschwenden. Wenn ich den besagten Sansibarer jetzt an Sie übergebe, was haben Sie dann mit ihm vor?«
    Auf diese Frage war Oscar vollkommen unvorbereitet. Was sollte er mit Mohamadali anstellen? Zusehen, dass er so schnell wie möglich nach Sansibar zurückkehrte, wäre vermutlich die wahrheitsgemäße Antwort gewesen. Aber Sansibar war seit einigen Tagen Feindesland, englisches
Territorium, also war die aufrichtige Antwort vermutlich ebenso dumm wie gefährlich.
    »Ich werde mich gut um meinen Freund und Kompagnon kümmern, das garantiere ich Ihnen«, antwortete er knapp.
    Der Major dachte eine Weile nach und schien zu weiteren Fragen ansetzen zu wollen, überlegte es sich dann aber plötzlich anders, nahm einen Vordruck, schrieb rasch ein paar Zeilen und unterschrieb.
    »Hier!«, sagte er, als die Tinte getrocknet war, und reichte Oscar das Formular. »Ihr Freund sitzt in der Arrestzelle. Gehen Sie hinunter, zeigen Sie die Anweisung vor, nehmen Sie Ihren Freund mit und … wie gesagt, kümmern Sie sich um ihn.«
    Erleichtert nahm Oscar den Freilassungsbeschluss entgegen, verbeugte sich, dankte und ging zur Tür.
    »Noch etwas, Herr Oberingenieur!«, kommandierte der Major, und Oscar hielt inne und drehte sich langsam um. Ihm schwante nichts Gutes.
    »Ja, Herr Major?«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie die Sache Deutschlands unterstützen, obwohl Sie formell gesehen norwegischer Staatsbürger sind. Habe ich recht?«
    »Ja, selbstverständlich, Herr Major. Ich wünsche mir von ganzem Herzen einen raschen und schonenden deutschen Sieg!«
    »Gut! Dann erwarte ich Sie später in einer anderen Angelegenheit wieder in meinem Büro. Wir benötigen viele Freiwillige.«
    Oscar antwortete nicht, nahm aber Haltung an, salutierte, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Das Wartezimmer war immer noch von Freiwilligen überfüllt.
    Mohamadali wies Zeichen leichter Misshandlungen auf, war aber im Übrigen wohlauf. Er fiel Oscar um den Hals und küsste ihn zum Entsetzen der deutschen Wachen auf beide Wangen.
    Zwei Stunden später ritten sie Richtung Bagamoyo, weil sie dort mindestens zwei Schiffe liegen hatten, die nach Sansibar ablegen sollten, sobald sie fertig beladen waren. Wahrscheinlich waren das für geraume Zeit die letzten Transporte.
    Bagamoyo lag zu weit entfernt, als dass sie dort noch vor dem Abend eingetroffen wären. Sie mussten unterwegs ein Lager aufschlagen, und Mohamadali machte sich wegen Räubern und wilden Tieren Sorgen. Oscar versuchte, ihn zu beruhigen, und versicherte, das Lagerfeuer würde die wilden Tiere abhalten. Er hätte in Afrika Tausende von Nächten unter freiem Himmel verbracht. Außerdem sei er gut bewaffnet und sie hätten genug Decken und Proviant.
    Wie zu erwarten war, wurden sie etwas sentimental, nachdem sie gegessen hatten und satt und zufrieden ins Lagerfeuer starrten. Sie hatten viele entscheidende Jahre in Afrika verbracht. Sie hatten Plantagen angelegt und sehr gute Geschäfte gemacht, weil sie sich perfekt ergänzende Kompagnons gewesen waren. Oscars Stellung in Dar als germanischer Pionierheld hatte es ihnen erleichtert, die koloniale Bürokratie zu meistern. Mohamadalis Geschäftssinn hatte ein Übriges getan. Als Kompagnons waren sie allerdings nicht unzertrennlich, Oscar hatte den größten Teil des Unternehmens an Mohamadali verkauft und befand sich schon seit geraumer Zeit auf dem Absprung.
Trotzdem waren sie Freunde fürs Leben, obwohl sie in Zukunft in verschiedenen Teilen der Welt leben würden.
    Was daraus werden würde, konnte in diesem Moment niemand vorhersehen. Dieser idiotische Krieg, dessen Ursache keiner recht verstand und der eigentlich die Menschen in Afrika nichts anging, hatte alles über den Haufen geworfen.
    Mohamadali schlug Oscar vor, ihn auf der Dhau zu begleiten, wenn sie bei der nächsten Flut von Bagamoyo lossegelten. Die Überfahrt nach Sansibar würde sie selbst bei voll beladenem Schiff weniger als zwölf Stunden kosten. Von Sansibar aus sei es sicher nicht schwer, einen Dampfer nach Europa zu finden. Bargeld für die Reise sei ebenfalls kein Problem.
    Das war ein verlockender Vorschlag. Aber Sansibar war englisches Territorium, und obwohl Norwegen nicht am Krieg teilzunehmen schien, zumindest noch nicht, so

Weitere Kostenlose Bücher