Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
alle
hielten den Beschluss der Führung für richtig. Es galt, die Gesunden zu neuen, einsatzfähigen Verbänden zu organisieren. Sie waren natürlich auch ein wenig stolz, dass sie allesamt die strenge Kontrolle der deutschen Ärzte bestanden hatten.
Sie tranken und erzählten sich Geschichten, und Oscar übersetzte die ganze Zeit aus Swahili ins Deutsche und umgekehrt.
Am komischsten war die Geschichte von zwei englischen Offizieren, die ihre Askaris gezwungen hatten, ein Marschlied singend an der Frontlinie herumzuschleichen, das bei den King’s African Rifles sehr beliebt war: »Tipperari mbali sana sana!«
Sie hatten auf einem Abhang in ihrem Versteck gelegen, während ihnen unten in einem ausgetrockneten Flussbett am helllichten Tag der Feind mit einem Lied auf den Lippen entgegenmarschierte, dass es weit sei nach Tipperary. Was durchaus den Tatsachen entsprach. Aber dieser schleichende Angriff auf die deutsche Flanke hatte doch die Krönung englischer Einfalt dargestellt. Der Gesang hatte natürlich die Männer aufmuntern sollen. Oscar und Kadimba, die über Gewehre mit größerer Reichweite verfügten als die anderen ihrer Truppe, hatten auf Befehl hin als Erste das Feuer eröffnet, drei Melonenschüsse, mehr Offiziere hatten sich nicht unter den Gegnern befunden. Dann hatte sich Oscar vor die gegnerischen Soldaten gestellt und auf Swahili gebrüllt, die englischen Imperialisten hätten jetzt bekommen, was sie verdienten, den Kameraden Askaris blieben fünf Sekunden, um den Rückzug anzutreten. Das hatte funktioniert!
Werner war natürlich wütend gewesen, hatte aber auch
rasch den komischen Aspekt der Situation erkannt. Und jetzt, als die Geschichte ein weiteres Mal erzählt wurde, schüttete er sich aus vor Lachen: »Tipperari mbali sana sana!« Die schwarzen Kameraden, die den Text offenbar beherrschten, stimmten sofort in das Lied ein, und alle lachten. Danach gab es dann für lange Zeit nichts mehr zu lachen.
Am nächsten Tag marschierten sie südwärts gegen die Portugiesen. Aus logistischen Gründen. Sie brauchten Vorräte, die sie vor der Regenzeit bunkern konnten. Die Portugiesen waren nachweislich die schlechtesten Soldaten, die Gott je erschaffen hatte, falls Gott überhaupt Soldaten erschuf.
Seit die Portugiesen aufseiten Englands in den Krieg eingetreten waren, hatte Paul von Lettow-Vorbeck erst die vorrückende portugiesische Haupttruppe und dann ihre Stützpunkte auf ihrem eigenen Territorium in Mosambik dazu verwendet, die Depots aufzufüllen. Es hieß, Max Loof, der ehemalige Kapitän des Kreuzers Königsberg, habe als Erster die Vorteile des Eintritts der Portugiesen in den Krieg erkannt. Am Ende des Vorjahres an einem späten Novemberabend hatte er sich der portugiesischen Festung Newala genähert. Seine Einheit bestand zwar aus ein paar Hundert Mann, aber die Festung wirkte zu solide. Also hatten sie ihr Nachtlager aufgeschlagen, statt anzugreifen, und nur ein paar Schüsse in die Luft abgegeben, um die Portugiesen darauf hinzuweisen, dass sie belagert wurden.
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass die Portugiesen die Festung kampflos aufgegeben hatten. Sie hatten
alles zurückgelassen: Fahrzeuge, Pferde, Maulesel, hunderttausend Patronen, Medizin und Proviant, alles, was die Engländer ihnen geliefert hatten. Der alte Kapitän hatte eine wichtige Schlacht zu Lande gewonnen, indem er ein halbes Dutzend Schüsse in die Luft hatte feuern lassen.
Es war also eine naheliegende Vermutung, dass man jetzt im Süden bei den Portugiesen die Vorräte ergänzen könnte, ehe die Regenzeit den Krieg unmöglich machte.
Der Weg gen Süden würde durch Gegenden mit Tsetsefliegen führen. Auch das stellte einen Vorteil dar, da der augenblickliche Hauptfeind, die Südafrikaner, versuchten, den Krieg wie in ihrer Heimat zu betreiben – mit der Kavallerie. Bald würden sie keine Pferde mehr haben.
Als sie zum Grenzfluss Rowuma vorrückten, bildete das Sonderkommando Werner einen Kilometer vor der Haupttruppe die Vorhut. Ihr Auftrag war einfach und klar formuliert: Sie sollten einerseits einen geeigneten Weg finden und andererseits eine deutliche Spur legen, der die Haupttruppe folgen konnte. Außerdem sollten sie versuchen, Begegnungen mit feindlichen Patrouillen zu überleben.
In der Nähe des Grenzflusses stießen sie ganz richtig auf eine Kompanie südafrikanischer Kavallerie. Sie hatten das Glück, den Feind als Erste zu entdecken, sodass sie einen Hinterhalt vorbereiten konnten.
Weitere Kostenlose Bücher