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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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kurzem Zögern bestellte sie einen Burgunder.
    Begünstigte sie damit den Feind? Sie hatte vor dem Krieg Burgunder getrunken und würde auch nach dem Krieg wieder Burgunder trinken, so rechtfertigte sie sich vor sich selbst.
    Draußen vor dem Fenster dämmerte es, aber das spielte keine Rolle. Hinter Geilo wurde es nach ihrem Geschmack ohnehin uninteressant. Wälder und Stromschnellen, noch mehr Wald, immer weniger Schnee. Das Essen war hervorragend, die Bedienung freundlich, die Beleuchtung angenehm.
    »Madame Docteur! Welch eine angenehme Überraschung, Sie hier wieder zu treffen!«
    Sie hörte, dass es sich um perfektes Französisch handelte, blickte auf und erkannte ihn sofort. Er war der einzige Franzose, den sie je operiert hatte.
    »Ah! Monsieur Enseigne de Vaisseau de Première Classe! Wie geht es Ihrem Brustmuskel?«
    »Danke, Madame, den Umständen entsprechend gut. Vielleicht etwas steif, aber es hat sich nichts entzündet.«
    »Dann befinden Sie sich auf dem Weg der vollkommenen Genesung. Und wohin sind Sie sonst auf dem Weg?«
    Sie zögerte. In Norwegen galt es als unhöflich, sich mit jemandem zu unterhalten, der stehen musste, außerdem hatte sie noch eine halbe Flasche Wein, die sie ohnehin nicht leeren würde. Letzteres entschied die Sache, seltsamerweise.
Ihrem Vater war es immer wichtig gewesen, dass Wein, wenn die Flasche erst einmal geöffnet war, nicht verdarb.
    »Möchten Sie nicht Platz nehmen und mir bei den letzten Tropfen Burgunder helfen, Herr Oberleutnant zur See?«, fragte sie und betonte die deutsche Entsprechung seines Dienstgrads.
    »Sehr gerne, Madame, Sie sind zu freundlich«, antwortete er, verbeugte sich und nahm Platz.
    Sofort erschien der Kellner mit einem weiteren Glas und schenkte ihnen beiden ein.
    »Stammen Sie zufälligerweise aus Deutschland, Madame?« , fragte er, nachdem sie miteinander angestoßen hatten.
    »Ja, zufälligerweise bin ich Deutsche. Und Sie sind ein französischer Soldat, dem dank einer deutschen Ärztin bleibende Schäden erspart blieben. So ist das nun einmal. Aber wie haben Sie das gemerkt?«
    Er dachte nach. Sie musterte ihn unruhig, ob Ressentiments zu entdecken waren, aber nichts ließ darauf schließen. Er trug norwegische Kleider, Freizeitkleidung. Der Pullover hätte sogar von Frøynes sein können.
    »Ich kann kein Wort Deutsch«, gab er zu. »Ich weiß nur, wie Deutsch klingt und wie Norwegisch klingt. Als Sie meinen Dienstgrad ins Deutsche übersetzt haben, streifte mich der Gedanke, dass nur jemand, der diese Sprache vollendet beherrscht, diesen mit solcher Kraft und Sicherheit aussprechen kann.«
    »Ich habe leider Ihren Namen vergessen«, erwiderte Ingeborg, um das Thema zu wechseln. Sie hatte es zwar selbst gewählt, fürchtete sich aber auch davor.
    »Henri Letang, zu Diensten, Madame!«, antwortete er und hob sein Glas erneut. »Sie haben wirklich einen ausgezeichneten Wein gewählt.«
    »Mein Name lässt sich nur schwer aussprechen, aber ich heiße Ingeborg Lauritzen«, sagte sie. »Der Wein ist ein Burgunder.«
    »Ingeborg Lauritzen«, wiederholte er langsam und mit gespenstischer Perfektion. Ingeborg mit deutscher Aussprache, Lauritzen mit norwegischer. »Ich habe intensiv Norwegisch gelernt«, fuhr er fort, als er ihre erstaunte Miene bemerkte. »Ich habe eine Arbeit bei der französischen Legation in Kristiania bekommen, als Ordonnanz, was vermutlich Laufbursche bedeutet.«
    »Da bleibt Ihnen der weitere Krieg erspart«, meinte Ingeborg. »Im Übrigen haben Sie auch ›Kristiania‹ perfekt ausgesprochen.«
    »Ich bin viermal von Ihren U-Booten torpediert worden. Jedes Mal habe ich, wie Sie sehen, überlebt. Neun Leben besitze ich nicht, also werde ich gerne Laufbursche in einer aufregenden nordischen Stadt. Fahren Sie auch nach Kristiania?«
    »Nein«, antwortete sie. »Meine Kinder und ich wollen weiter. Wir müssen Norwegen verlassen, weil das Leben durch den Krieg hier unerträglich geworden ist, für mich als Deutsche und für meine Kinder als Halbdeutsche.«

XXIV
OSCAR
    Mosambik, Deutsch-Ostafrika, 1917 bis 1918

    Das Sonderkommando Werner wurde mit den unterschiedlichsten Spezialaufträgen betraut, da die Gruppe im Laufe der Zeit vor allen Dingen hinter den feindlichen Linien reiche Erfahrungen gesammelt hatte. Einer der eigenartigeren Aufträge war die Flusspferdjagd.
    Sie jagten sie nicht so sehr des Fleisches wegen, obwohl ein Flusspferd Fleisch für Hunderte von Grillspießen lieferte; für eine Truppe von mehreren

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