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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Als Lauritz nicht ganz ohne Stolz, den er jedoch sogleich bereute, erzählte, er habe in Dresden studiert, verfinsterte sich Daniels Miene, und er erklärte, das würde so manches erklären.
    »Und zwar?«, wollte Lauritz erstaunt wissen.
    »Dass ich nur zweiter Ingenieur bin, obwohl du jünger bist und außerdem neu. Meine Familie konnte sich so ein teures Studium nicht leisten. Ich musste mich mit der Technischen Hochschule in Kopenhagen begnügen.«
    »Meine Familie konnte sich nicht einmal meine Schulausbildung leisten«, erwiderte Lauritz leise und schaute verlegen auf die Tischplatte. Er ahnte, wo Daniel der Schuh drückte. Vermutlich hatte das Schweigen nicht nur etwas mit der Bergeinsamkeit zu tun, sondern ganz simpel mit Neid.
    »Die Wohltätigkeitsloge Die gute Absicht in Bergen hat, begonnen mit der Kathedralschule, meine Ausbildung und
die meines Bruders Oscar bezahlt«, fuhr er fort. »Mein Vater war Fischer. Er und sein Bruder kamen bei einem Schiffbruch ums Leben. Anschließend waren wir bettelarm. Zum Dank für diese Ausbildung und um meine Schuld abzubezahlen, bin ich jetzt in Nygård. Alle Knochen tun mir weh, und ich habe keine Haut mehr im Gesicht und an den Fersen. Dabei könnte ich in der großen Welt viel Geld verdienen.«
    »Als Dank für die Ausbildung?«, wollte Daniel mit einem Anflug echten Interesses und einer gewissen Neugier wissen.
    »Ja, das war die unausgesprochene Bedingung. Die Herren der Loge sind begeisterte Anhänger des Bergenbahn-Projekts. Das Storting hatte eingewendet, Norwegen habe dafür nicht genügend gute Ingenieure. Daraufhin beschlossen die Bergener, ihre eigenen Ingenieure auszubilden. Deswegen bin ich jetzt hier. Skål!«
    »Unglaublich!«, rief Daniel und hob sein Glas so ruckartig an, dass der Whisky überschwappte. »Du bist also ein Fischersohn aus Westnorwegen. Auf die Idee wäre ich nie gekommen!«
    »Wieso nicht?«, fragte Lauritz aufrichtig erstaunt. »Ich spreche schließlich keinen Kristiania-Dialekt.«
    »Nein, aber schau dich mal im Spiegel an! Der Schnurrbart, die feine Frisur, der Kurzhaarschnitt, wie du am Tisch sitzt, wie du mit unserer Köchin redest. Ich war mir sicher, du stammst aus einer Reederfamilie in Bergen. Mit den Dialekten kenne ich mich ohnehin nicht aus. Ich komme aus Hamar. Nochmals skål!«
    Er leerte sein Whiskyglas, streckte die Hand nach der Flasche aus, hätte sich beinahe zuerst eingegossen, entschuldigte
sich dann mit einer Verbeugung und goss stattdessen Lauritz bis zum Rand ein.
    »Dann kannst du also fischen?«, fragte er, als sei das nach der unerwarteten Wendung der Unterhaltung die natürlichste Fortsetzung.
    »Aber sicher. Und segeln.«
    »Kannst du auch eisfischen? Forellen? Wollen wir das morgen tun?«
    »Ein reizvoller Vorschlag, mein Lieber«, antwortete Lauritz mit übertrieben vornehmer Stimme und zwirbelte seinen Schnurrbart.
    Ihr Lachen war befreiend.
    Den restlichen Abend betranken sie sich und erzählten sich Geschichten.
    Am nächsten Morgen standen sie vier Stunden später als gewöhnlich auf, und wie zu erwarten mit Kopfschmerzen. Trotzdem waren sie fest entschlossen, auf Forellenfang zu gehen.
    Sie holten sich ein paar Netze aus einem der Nygård-Schuppen, Äxte und Seile fanden sie im Lager. Lauritz band vier Skistöcke aus Bambus zu einer langen Stange zusammen. Dann begaben sie sich mit Netzen und Schneeschaufeln bewaffnet an den See hinunter, die Strecke war zu kurz, als dass es sich gelohnt hätte, die Skier anzuschnallen. Außerdem hätte es Lauritz’ Ruhetagslaune verdorben, seine Skier auch nur anzuschauen.
    Sie postierten sich nahe der Mündung des Nygårdsvand in den Ustavand. Lauritz erklärte, dass es an solchen Stellen immer eine Strömung gebe und dass die Fische in strömenden Gewässern ihr Futter fänden.
    Mit den Äxten schlugen sie ein großes Loch ins Eis und
legten ihre Bambusstange aus, um den Abstand zum nächsten Loch abzumessen. Insgesamt schlugen sie fünf Löcher für ihre Netze. Lauritz schob die Bambusstange durch das erste Loch, befestigte ein Seil an der Öse im Griff, dann schob er die Konstruktion in Richtung des nächsten Loches, wo Daniel das Ganze in Empfang nahm. Nachdem sie das Seil vom ersten bis zum letzten Loch gespannt hatten, zogen sie daran drei Netze unter das Eis. Jetzt war der gesamte Bereich abgesperrt, in dem Lauritz Fische vermutete. Schließlich schoben sie über den Netzen so viel Schnee wie möglich beiseite, damit Licht unter das Eis drang. Lauritz

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