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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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erklärte, dass das Licht Libellenlarven und andere Fischnahrung anlockte.
    Zufrieden mit dem bisherigen Tag, legte er sich eine halbe Stunde später auf seine Schafsfelle, um Shakespeare in Angriff zu nehmen. Wenn es schon nicht aufs Skifahren zutraf, so war zumindest Fischen wie Fahrradfahren, dachte er. Das verlernte man nie. Vermutlich war es mit dem Segeln ebenso.
    Die Netze waren voller Fische, als sie sie gegen Abend einholten. Sie händigten der Köchin aus, was sie für zwei Tage benötigte, den Rest vergruben sie in einer Schneewehe vor dem Haus. Sie hatten jetzt genug Forellen für mehrere Wochen.

VI
OSCAR
    Deutsch-Ostafrika, Juni 1902

    Die Falle im Eisenbahnwaggon funktionierte kein zweites Mal. Nachdem sich Oscar und Kadimba eine gute Woche lang abgewechselt hatten, als bewaffnete Lockvögel hinter dem Eisengitter zu sitzen, gaben sie auf. Kadimbas Erklärung für den Misserfolg war höchst plausibel. Beide Brüder Simba waren anwesend gewesen, als der eine tödlich verwundet wurde. Der überlebende Bruder wusste also, dass es sich bei dem Waggon um eine Falle handelte.
    Was ihn jedoch nicht abschreckte, und auch dafür gab es laut Kadimba eine Erklärung. Für die beiden alten Löwen sei es schon schwierig gewesen, Nahrung zu besorgen, weshalb sie sich auf Menschen spezialisiert hatten. Ein Männchen allein hatte es in diesem fortgeschrittenen Alter noch schwerer. Es hatte keine Wahl, musste sich weiter von Menschenfleisch ernähren, das einfach zu beschaffen war.
    Und in der Tat waren Menschen leichte Beute, das erkannte Oscar nun. Der übrig gebliebene Simbabruder besaß eine erstaunliche Improvisationsgabe und entwickelte ständig neue Jagdmethoden. Jeder neue Angriff erforderte
eine neue Verteidigungsstrategie, woraufhin die heimtückische Bestie wieder eine neue Taktik erfand.
    Sie kam morgens und riss einen der Männer aus der Kolonne auf dem Weg zur Brückenbaustelle. Anschließend verließ niemand mehr das Lager ohne bewaffnete Eskorte. Was den Askaris nur recht war, die viel lieber als Soldaten Dienst taten, als solch entwürdigende Arbeiten auszuführen, wie Schienen, Schwellen oder Balken für die Brücke zu tragen.
    Damit sank das Arbeitstempo noch mehr. Einundzwanzig Männer hatten die Löwen inzwischen gerissen, und jetzt fielen auch noch viele Arbeitsstunden der zehn Askaris weg. Die Freude darüber, dass einer der Dämonen sich als gewöhnlicher Löwe entpuppt hatte, wich rasch. Ebenso rasch stellte sich bei Oscar auch das verzweifelte Gefühl der Ohnmacht wieder ein. Dass sich ihm unerwartet die Gelegenheit, den zweiten Löwen zu schießen, bot, er diesen aber verfehlte, machte die Sache nicht besser.
    An einem freien Sonntagnachmittag, im Lager herrschte behaglicher Müßiggang, waren auf einmal Schreie der Wasserträger zu hören, die mit fuchtelnden Armen und den Rufen, Simba sei zurückgekehrt, ins Lager gerannt kamen.
    Oscar war rasch auf den Beinen und lief zu dem Brunnen, der in einem der versiegten Flussarme gegraben worden war. Dort sah er zu seiner mit Schrecken gemischten Erleichterung, dass der Löwe einen der Esel, die als Wasserträger dienten, gerissen hatte. Merkwürdigerweise suchte die Bestie nicht das Weite, als sie einen Menschen mit Gewehr auf sich zukommen sah. Stattdessen hob Simba den Kopf, fletschte die Zähne und brüllte lauter, als Oscar je einen Löwen hatte brüllen hören.
    Oscar blieb stehen, ging in die Knie und zielte. Aber aufgrund seiner Atemlosigkeit und vielleicht auch seiner Furcht oder beidem wackelte der Gewehrlauf. Er schoss und verfehlte den Löwen.
    Der Löwe verschwand blitzschnell, und Oscar verfluchte seine Ungeschicklichkeit und Unbedachtsamkeit. Natürlich wusste er, was er falsch gemacht hatte. Er hätte warten und stillhalten müssen, bis er sich beruhigt hatte und der Löwe sich erhob und ein größeres Ziel abgab. Er hätte einen stabileren knienden Anschlag einnehmen müssen. Er hätte alles Mögliche unternehmen können, nur das nicht, was er dann getan hatte. In Gedanken hatte er den Löwen mindestens hundertmal erschossen, als Kadimba erschien und ihn fragte, was geschehen sei. Er erwiderte knapp, er habe danebengeschossen, ohne etwas zu erklären oder zu beschönigen. Kadimba untersuchte den Boden und folgte dann ein Stück der Löwenspur, aber offenbar fand er nichts. Langsamen Schrittes kehrte er zurück, wobei er eher nachdenklich als enttäuscht wirkte.
    »Es sieht gut aus, Bwana Oscar«, sagte er. »Die Kugel hat die

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