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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schafspelze bis ans Kinn gezogen hatte. Jetzt
schmerzte der ganze Körper, selbst die Bauchmuskeln und die Rückseiten der Oberarme. Er fühlte sich wie ein Invalide und nicht wie ein norwegischer Diplomingenieur aus Dresden.
    Er quälte sich durch die Dehn-und Lockerungsübungen, die er als Radrennfahrer immer gemacht hatte. Alles tat weh. Außerdem brannte sein Gesicht.
    Als er sich wenig später mit Mühe angekleidet hatte, stellte er sich vor den Rasierspiegel und erkannte sich kaum wieder. Sein Gesicht war gerötet und über den Augenbrauen geschwollen. Auf Stirn, Nase und Wangen hatte er wässrige Blasen. Die Sonne hatte ihm sein Gesicht verbrannt. Die Strahlung wurde von der funkelnden weißen Landschaft vermutlich um ein Vielfaches verstärkt. Und der kalte Wind auf der Haut führte dazu, dass man die Gefahr unterschätzte.
    Beim Frühstück wartete er so lange wie möglich damit, das Thema anzuschneiden. Er hatte gehofft, sein Kollege Daniel würde von sich aus etwas sagen, jedoch vergebens.
    »Die Sache ist die«, sagte er, als sie beim Kaffee angelangt waren. »Wie du siehst, hat die Sonne mein Gesicht ziemlich übel zugerichtet.«
    »Deine Haut wird sich dreimal schälen, dann hast du es überstanden. Weihnachten siehst du dann aus wie ich«, antwortete Daniel zerstreut, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.
    »Gut zu wissen«, murmelte Lauritz säuerlich. »Aber bevor ich im Laden in Ustaoset meine Ausrüstung ergänzen kann, wollte ich dich fragen, ob du mir einen Hut und eine Sonnenbrille leihen könntest. Falls das nicht zu viel verlangt ist. Vielleicht sollten wir einige Worte darüber wechseln.«
    »Aber sicher«, antwortete Daniel, scheinbar ohne die Ironie zur Kenntnis zu nehmen.
    Dann verstummte er und starrte in seinen Kaffee. Lauritz seufzte demonstrativ, was auch nicht half.
    »So geht das nicht«, sagte er, seine Geduld war am Ende. »Ich bin dir sehr dankbar, dass du bereit bist, mir Sonnenbrille und Hut zu leihen, aber du erwartest doch nicht, dass sich diese Gegenstände von selbst bei mir einfinden?«
    »Entschuldige, du hast natürlich recht«, sagte Daniel, erhob sich und ging in sein Zimmer. Wenig später kehrte er mit einem Hut und einer Schutzbrille, wie sie in Deutschland die Automobilfahrer verwendeten, zurück. In Lauritz machte sich leise Verzweiflung breit.
    »Und den Whisky, den ich in die Bahnarbeiterbaracke mitnehmen soll, wo finde ich den?«, wollte er wissen.
    »Im kalten Vorratsraum hinter der Speisekammer bei der Küche. Whisky gefriert nicht.«
    »Danke für die Information. Aber sag, wenn die Bahnarbeiter am Samstagabend eine Zuteilung Whisky bekommen, genießen die Ingenieure dasselbe Privileg?«
    »Nein. Wir bezahlen drei Kronen pro Flasche.«
    »Verstehe. Dann hätte ich einen Vorschlag. Ich erwarte natürlich nicht, dass du dich dazu äußerst. Ich gebe heute Abend eine Flasche Whisky aus, natürlich nicht ohne Hintergedanken. Ich will meinen nächsten Arbeitskollegen damit ermuntern, sich in Konversation zu üben.«
    Daniel Ellefsen sah von seiner Kaffeetasse auf, die er höchst eingehend gemustert hatte. Plötzlich war er sehr gegenwärtig.
    »Kein dummer Vorschlag«, meinte er. »Du hast sicher
recht, es täte mir gut, mich in Konversation zu üben. Aber ich bezahle die Hälfte.«
    Er trank den letzten Schluck Kaffee, ging in den Vorraum, zog seinen Mantel an und wuchtete sich seinen Rucksack auf den Rücken. Dann schlug die Haustür zu, und wenig später war das knirschende Geräusch von Skiern auf einer gefrorenen Schneedecke zu hören.
    Lauritz lächelte und schüttelte den Kopf, trank seinen Kaffee aus und erhob sich stöhnend, um die beiden Whiskyflaschen für Johan Svenskes Arbeitertrupp aus der Küche zu holen.
    Es wurde eine grauenvolle Fahrt zur Baustelle. Die Spur, die er am Vorabend im Schneematsch gezogen hatte, hatte sich in Eis verwandelt, das eine dünne Schicht weicher Schneekristalle noch glatter machte. Ein geübter Skiläufer brauchte vermutlich nicht mehr als eine halbe Stunde, um nach unten zu gelangen, er selbst hatte jedoch allergrößte Schwierigkeiten. Bereits am ersten Hang setzte er sich aufs Hinterteil, als es zu schnell ging, und bekam manchen Stoß ab. Jetzt tat ihm auch noch der einzige Teil des Körpers weh, der bislang nicht geschmerzt hatte. Glücklicherweise hatte er die Whiskyflaschen vorausschauend in dicke Wollpullover gewickelt.
    Wurde es zu steil, nahm er die Skier auf die Schulter. An mäßigen Hängen

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