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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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und jeden Widerstand im Keim erstickt, wie es nur die Römer konnten. Sie haben die Bergfestungen der jüdischen Aufrührer belagert und eine nach der anderen vernichtet, obwohl es Jahre gedauert hat. Und da die Unzufriedenheit religiös motiviert war, haben sie das Herz dieser Religion zerstört – sie haben den Tempel vernichtet und die Priester hingerichtet. Sie waren gründlich und absolut gnadenlos, denn so waren die Römer nun einmal. Wen sie ergreifen konnten, den haben sie versklavt, und die Provinz haben sie unbewohnbar gemacht, um dafür zu sorgen, dass die Juden Rom nie wieder lästig werden konnten. Aber –«
    Er setzte sich gerade hin und bohrte sich mit dem kleinen Finger im Ohr. Er betrachtete die Fingerspitze kritisch, bevor er sie an seinem Bein abwischte.
    »Aber das war alles nur die Strafe für die Sünde der Rebellion gegen Rom. In den Augen der Römer war es eine gerechte Strafe. Sie hatte nichts mit dem blinden Hass gemeinsam, den die Christen den Juden heute entgegenbringen.«
    Er nippte an seinem Wein und behielt ihn einen Moment genießerisch im Mund, bevor er hinzufügte: »Von den Juden haben wir den Einen Gott, André. Die Leute neigen dazu, das zu vergessen. Der Gott, den wir anbeten, ist direkt von den Juden gekommen. Wir sollten ihnen dafür dankbar sein. Doch nein, wir gehen ihnen lieber aus dem Weg, wenn wir sie nicht gerade misshandeln und verfolgen.«
    Henry schüttelte den Kopf.
    »Karel hat gesagt, die Juden in seiner Bekanntschaft seien ganz normale Menschen, genau wie die Christen, nur dass sie glaubten, ihr Gott erwarte ein anderes Verhalten von ihnen. Jesus sei schließlich Jude gewesen. Wann, so hat er gefragt, ist es zum Bruch gekommen? Wann ist es üblich geworden, alle Juden zu hassen, obwohl Jesus doch sein Leben lang Jude war, obwohl sein Vater der Gott Israels gewesen ist und obwohl doch alle Christen von der Rückkehr nach Sion – dem biblischen Jerusalem – träumen und sehnsüchtig vom biblischen Israel schwärmen. Wo, so hat er gefragt, blieb da die Logik?«
    Er sah seinen Sohn an, als hoffte er auf eine Antwort, doch als keine kam, fuhr er fort. Dabei hob er entschuldigend die Hände, um anzudeuten, dass dies Karels Gedanken waren, nicht notwendigerweise die seinen.
    »Nun, seine Antwort auf diese Frage war, dass es Priesterlogik war, deren Sinn dem normalen Menschen nicht ersichtlich war, da er sich in den lichtlosen Tunneln im Inneren ihrer Hinterteile verbarg.«
    Sir Henry lachte laut auf.
    »Ich war immer begeistert, wenn er so etwas gesagt hat. Dabei hatte ich ständig Angst, dass irgendwann ein Haufen entsetzter Bischöfe aus einem Versteck auftauchen und uns beide wegen unseres unverzeihlichen Benehmens verdammen würde.«
    Von seinem Lachen blieb ein Lächeln.
    »Karel meinte, dass zwar nur wenige Priester wirklich klug sind, die meisten aber gerissen und egoistisch. Die meisten der Massen, denen es nicht vergönnt sein würde, zu Bischöfen oder Kirchenfürsten zu werden, verdankten ihre Stellung der Tatsache, dass sie die jüngeren Söhne von Eltern waren, die sie nicht ernähren konnten, sodass sie als junge Männer vor der Wahl standen, entweder Ritter oder Priester zu werden. Wem das Soldatendasein zu brutal war, der wählte den leichteren Weg, ein Leben ohne Strapazen, das durch Spenden finanziert wurde – das Priesterleben.«
    Henry richtete sich auf und leerte seinen Becher. Dann erhob er sich und ging zum Tisch, um den Becher abzustellen.
    »Und das, mein Sohn, ist alles, was ich dir über meine Einstellung gegenüber den Juden erzählen kann«, sagte er und drehte André den Kopf zu. »Ist dir irgendetwas davon bei deinem Dilemma mit Richard behilflich?«
    »Es ist kein Dilemma, Vater. Es ist Ekel.«
    Ein verärgerter Schatten huschte über Sir Henrys Stirn.
    »Das ist ein kräftiges Wort«, sagte er.
    »Und ich nehme es nicht leichtfertig in den Mund«, erwiderte André. »Richard ist nicht einfach irgendein Judenhasser. Ich rede hier von blinder, unmenschlicher Grausamkeit, die er einfach nur um ihrer selbst willen walten lässt – und um ihre Wirkung zu sehen.«
    Das überraschte Sir Henry. Er betrachtete seinen Sohn genau, um seine Miene zu deuten, doch da er nichts sah, was ihm geholfen hätte, kehrte er an das Feuer zurück.
    »Nun, dann sag mir, was du damit meinst, denn es ist eine heftige Anklage. ›Unmenschliche Grausamkeit, die er um ihrer selbst willen walten lässt – und um ihre Wirkung zu sehen.‹ Ich gehe davon aus, dass

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