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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Adieu.«

2
    A
    M ZEHNTEN APRIL 1191, der in diesem Jahr auf den Gründonnerstag fiel, stand Henry St. Clair an Deck eines Schiffes. Er genoss das Heben und Senken der Planken so sehr, dass er beinahe zu glauben begann, er würde doch noch zum Seemann werden. Der Himmel war klar und blau, die See war glatt und ruhig, und ein sanfter Wind, der gerade eben stark genug war, um die Segel über ihm zu füllen, schien König Richards gigantische Flotte vor sich herzutreiben wie eine Schafherde.
    Eine Reihe von vierundsechzig Schiffen verteilte sich etwa eine halbe Meile breit über das Wasser, doch dies war nur ein kleiner Teil der königlichen Flotte. Er selbst stand am Bug von Richards persönlichem Kriegsschiff, einer langen, schlanken Galeere, die unter der königlichen Standarte von England segelte. Dieses Schiff gehörte zu einer Teilflotte, die aus neun identischen Kriegsschiffen bestand und Richards ganzer Seefahrerstolz war. Sie waren nach Plänen gebaut worden, die Richard gemeinsam mit Sir Robert de Sablé entworfen hatte.
    Als Kampfschiffe angelegt, verfügte jede dieser Galeeren über dreizehn Anker, die sich im Fall eines plötzlichen Aufbruchs schnell abschneiden ließen, drei zusätzliche Steuerruder und ein Ersatzsegel. Hinzu kamen fünfzehn Paar Riemen sowie Ersatztakelage. Jedes der Schiffe bot hundert schwerbewaffneten Männern und ihrer Ausrüstung Platz und war mit einer fünfzehnköpfigen Besatzung sowie ihrem Kapitän bemannt. Die Schiffe lagen tief im Wasser, kamen aber auch mit schwerer See mühelos zurecht. Schnell und wendig wie die Raubtiere dienten sie vor allem der Verteidigung der restlichen Flotte.
    Ursprünglich waren es zehn Schiffe gewesen, doch schon auf der Strecke von Dartmouth nach Lissabon waren sie in einem gewaltigen Sturm verstreut worden, und eines war gesunken. Jetzt bildeten fünf der übrig gebliebenen neun, darunter auch Richards Schiff, das achte und letzte Glied der zweihundertneunzehn schwer beladenen Schiffe, die Richards Armee nach Outremer transportierten. Die anderen vier bewegten sich frei zwischen den Formationen hin und her. Die vierundsechzig Schiffe vor dieser Nachhut bildeten das siebte Glied, und davor gab es wiederum sechs weitere Glieder, die sich nach vorn immer weiter verjüngten. Die Vorhut bestand nur noch aus drei Schiffen, die dafür umso massiver und eindrucksvoller waren. Diese sogenannten Dromone waren langsam und behäbig, aber stabil und verlässlich – wahrhaft seetüchtig nannte Robert de Sablé sie respektvoll.
    Aus der Perspektive eines Vogels hätte ihre Formation den Anblick eines riesigen Dreiecks auf der Oberfläche des Mittelmeers geboten. Wahrscheinlich war es die größte Ansammlung von Kriegsschiffen seit der Zeit des Trojanischen Krieges.
    Hinter sich konnte Sir Henry die spottende Stimme des Königs hören, und er konnte sich das beklommene Lächeln in den Gesichtern Robert de Sablés und der anderen Flottenoffiziere gut vorstellen, die sich auf dem Achterdeck um den König drängten. Er war froh, nicht zu dieser Runde zu gehören. Obwohl heute alles bestens voranzugehen schien, wäre keiner von ihnen eine Wette eingegangen, wie lange die relative Ruhe noch anhalten würde.
    Denn seit fast zwei Wochen tobte Richard wie ein Bär. Am dreißigsten März hatte ihm Philip Augustus eine fürchterliche Szene gemacht, angeblich, weil er die Vorstellung einer zufälligen Begegnung mit Berengaria nicht ertragen konnte. »Die Hure von Navarra«, wie er sie nannte, habe seine »kleine Schwester Alaïs kompromittiert und beraubt«. Dass Berengaria seiner Schwester im Leben noch nie begegnet war und nicht das Geringste mit ihrem entwürdigenden Schicksal zu tun hatte, spielte keine Rolle für Philip, der einfach nur seiner Launenhaftigkeit und seiner Eifersucht freien Lauf ließ. Auf dem Gipfel seines Tobsuchtsanfalls hatte er dann für allgemeine Verblüffung gesorgt, indem er den Befehl erteilte, sein vollständiges Heer an Bord der Flotte von Genua zu bringen, die vor der Küste Siziliens vor Anker lag und wartete. Dann hatte er die Segel setzen lassen, ohne sich mit seinem englischen Mitbefehlshaber zu beraten, und war gen Outremer gefahren.
    Richard, der von dieser Handlungsweise genauso überrascht wurde wie der Rest der Heeresführung, war nichts anderes übrig geblieben, als sofort seine eigenen Pläne fallen zu lassen und seinerseits den Befehl zur schnellstmöglichen Verschiffung seiner Truppen zu geben. Die Alternative, nämlich nichts

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