Die Brueder des Kreuzes
nicht leugnen, dass Richard unbedingt einen Erben für England braucht. Gelingt es ihm nicht, einen Sohn in die Welt zu setzen, fällt der Thron an seinen nutzlosen Bruder John. Und selbst ich, der ich noch nicht einmal einen ganzen Monat in England verbracht habe und nie dorthin zurückkehren möchte – selbst ich weiß, dass dies eine Vorstellung ist, die niemand in Betracht ziehen möchte.«
»Grundgütiger!«, sagte André und schüttelte den Kopf. »Wir reden hier von einem König, der nicht einmal bei seinem Krönungsessen eine Frau geduldet hat. Und jetzt umgibt er sich mit immer mehr Frauen. Eleanor, Joanna und nun diese, wie heißt sie noch, Berengoria? Mutter, Schwester, Ehefrau. Sie werden ihn in den Wahnsinn treiben.«
»Ihr Name ist Berengaria, und ich habe mir sagen lassen, dass sie ein stilles und unterwürfiges Geschöpf ist.«
»Das hoffe ich doch, denn bei allen Göttern, sie wird unterwürfig sein müssen.«
»Außerdem wird Eleanor in wenigen Tagen die Heimreise antreten. Dafür hat Richard schnell gesorgt. Und Joanna ist ebenfalls ein fügsames Wesen. Sie wird Richard keine Schwierigkeiten bereiten, wenn ihre Mutter erst fort ist. Außerdem wird sie der armen Braut Gesellschaft leisten, wenn ihr Mann erst in den Krieg reitet.«
»Wann soll denn die Hochzeit stattfinden?«
»Nicht während der Fastenzeit, so viel steht fest. Doch danach … wer weiß? Die Hochzeitsgesellschaft ist vollzählig anwesend – wobei ich allerdings nicht glaube, dass Philip Augustus den Feierlichkeiten beiwohnen wird –, und es gibt eine ganze Horde von Bischöfen, der das Wasser im Mund zusammenläuft bei der Vorstellung, die Messe zu lesen, wenn Richard Plantagenet in den Schoß der orthodoxen Sexualität zurückkehrt. Möge Gott uns allen beistehen.«
»Wirst du dabei sein?«
»Natürlich. Dank meines Amtes wird mir nichts anderes übrig bleiben. Du hingegen wirst bis dahin ein Tempelritter sein, also wird dich niemand dort erwarten.«
André musste grinsen.
»Vielleicht nicht, doch das bleibt abzuwarten. Weißt du eigentlich, wie Philip die ganze Sache aufgenommen hat? Er muss doch fassungslos sein – sein Geliebter wird sich vermählen, und gleichzeitig wird seine Schwester verschmäht, obwohl man ihr das Gegenteil geschworen hatte.«
»Aye, wie zu erwarten war, ist er nicht glücklich darüber. Aber Philip ist schon zu lange König, um kein Pragmatiker zu sein. Er wird lernen, sich mit der Realität abzufinden.«
»Aye, gewiss … und mit der Irrealität ebenso.« André verzog das Gesicht. »Nun denn. Wie du schon sagst, gibt es nichts, was wir dagegen tun können. Versprichst du mir trotzdem, in Zukunft vorsichtiger zu sein, wenn du es mit Judenhassern zu tun bekommst?«
Sein Vater nickte, und André erhob sich, nachdem er das Nicken erwidert hatte.
»Nun gut. Ich kehre jetzt zu Sir Robert zurück und berichte ihm von unserem Gespräch, und dann begebe ich mich wieder in die Komturei. Leb wohl, Vater. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
Er trat vor, um seinen Vater zu umarmen, doch Sir Henry fasste ihn an den Oberarmen und sah ihm in die Augen.
»Wann wird dein Noviziat enden? Wann wirst du dem Orden beitreten?«
André lächelte.
»Ich weiß es wirklich nicht, Vater. So etwas erfährt man dort nicht. Sie lassen sich noch nicht einmal dazu herab, einem zu sagen, ob man dem Orden überhaupt beitreten wird. Ich kann dir allerdings versprechen, dass es genau wie die Hochzeit des Königs nicht vor Ostern geschehen wird, weil es nicht während der Fastenzeit sein kann. Unterdessen denke ich manchmal über die Gelübde nach …«
Sein Grinsen wurde breiter, während er die Augen seines Vaters beobachtete, doch bevor Sir Henry seine Frage formulieren konnte, fügte André hinzu: »Armut und Gehorsam sind kein Problem. Sie gehören zu dem Leben, das ich gewählt habe. Aber die Keuschheit macht mir Sorgen, denn ein solches Leben würde ich nicht wählen …«
Es sollte ein Scherz sein, doch sein Humor wich dem Verdruss, als er sah, dass sein Vater es für bare Münze genommen hatte. Er verzog das Gesicht und ergriff die Hand seines Vaters.
»Das war ein Scherz, Vater. Ein schlechter Scherz, das sehe ich ein, aber ich wollte dich nur zum Lächeln bringen. Und jetzt muss ich gehen. Bleib gesund, bis zum nächsten Mal. Und vergiss nicht, keine törichten Risiken mehr einzugehen. Die Risiken kann ich dir zwar nicht verbieten, aber unsere Torheit können wir doch im Zaum halten, nicht wahr?
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