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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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unterschiedlicher Regionen nur selten verstehen.
    Henry grunzte angewidert und schob den Gedanken beiseite. Es war ohnehin unsinnig, sich mit diesem Thema zu befassen; es führte höchstens zu Frustration und Unmut.
    Allerdings erinnerte es ihn an seinen alten Freund Torquil, einen dänischen Söldner. Obwohl keiner von ihnen die Sprache des jeweils anderen verstanden hatte, hatten sie viele gemeinsame Abenteuer erlebt, bis Torquil schließlich im Vorgebirge der Alpen bei einem bedeutungslosen kleinen Scharmützel durch den Schuss einer Armbrust gefallen war. Torquil war ein leidenschaftlicher Esser gewesen, und man hatte ihm nachgesagt, er könne noch in einem leeren Sarg etwas Essbares auftreiben. Sein größter Erfolg war einmal der Fund eines entlaufenen Ferkels vor der belagerten Stadt Le Havre gewesen. Es war ein Spanferkel gewesen, dem Milch noch aus dem Maul tropfte, als Torquil es fing. Bis heute musste Henry jedes Mal an diese Nacht und an das köstliche Fleisch zurückdenken – das erste Fleisch, das er und seine Freunde seit Monaten gegessen hatten –, wenn er gebratenes Schwein roch.
    Bei diesen Gedanken wiederum wurde er hungrig und begab sich zu seinem Gepäck, das auch seine Essensvorräte enthielt: eine dicke, herzhafte Wurst, einige Stücke Ziegenkäse, ein Glas eingelegte Oliven und einen Laib frisches Brot. Er aß allein am Bug der Galeere und beobachtete den Sonnenuntergang. Sobald das Licht verschwunden war, sank die Temperatur rapide.
    Er trank noch ein wenig Wasser und ließ sich dann auf dem Deck nieder, wo er sich in eine Decke gehüllt an die Bordwand legte. So war er vor der Kühle der Aprilnacht geschützt und war niemandem im Weg.
    Die Wellen wiegten ihn sanft in den Schlaf.
    Als er wieder erwachte, war es noch dunkel. Er wusste sofort, dass etwas anders war, doch er brauchte einige Sekunden, um festzustellen, was es war. Die Stille war noch tiefer als gestern Abend. Obwohl er hörte und spürte, dass ringsum auch andere Männer erwachten, schien es zunehmend stiller zu werden – nichts schien sich zu regen.
    Während er schlief, hatte jemand eine brennende Laterne an einen Metallhalter über seinem Kopf gehängt, und in ihrem Inneren brannte eine perfekte Flamme, ein goldenes Blatt aus reinstem Feuer, umringt von einem ebenmäßigen Heiligenschein. Während er das staunend betrachtete, begriff er, dass auch die Wiegebewegung des Decks, die ihn in den Schlaf gelullt hatte, aufgehört hatte.
    Irgendwo hinter ihm auf dem Ruderdeck erklang ein lautes Scheppern, gefolgt von Flüchen und anderen, weniger eindeutigen Geräuschen, die jetzt lauter wurden.
    Schließlich rieb er sich die Augen und setzte sich auf, erfüllt von einem vagen Gefühl der Nervosität.
    Sein erster Instinkt mahnte ihn, den Himmel nach Anzeichen für schlechtes Wetter abzusuchen, doch dort oben war nichts Bedrohliches zu sehen. Das ganze Firmament schien wolkenlos zu sein und erglühte jetzt rosa und violett, während die letzten Sterne im Licht der Morgendämmerung verblassten.
    Er zog sich hoch und spähte nach Osten, just als der flammende Rand der Sonne über die Kante des Horizonts stieg. Es war eine Szene von makelloser Schönheit, und er musste daran denken, dass heute Karfreitag war, der Tag, an dem der Heiland für die Erlösung der Menschheit gekreuzigt worden war. Sämtliche Vorzeichen, so dachte er in diesem Moment, verhießen nur Gutes für die Menschen.
    Er wandte den Kopf, um zu sehen, ob er der Einzige war, der die Schönheit des heraufdämmernden Morgens bemerkt hatte. Überrascht stellte er fest, dass die Männer in zwei Reihen an der Reling standen und wortlos auf das Meer hinausstarrten.
    Erst als er ihrer Blickrichtung folgte, begriff er, dass ihre Augen zum Bug und darüber hinaus gewandt waren. Er spürte, wie sich vor Staunen sein Mund öffnete.
    Die Meeresoberfläche war wie Glas, und es war nicht die kleinste Welle zu sehen. So weit das Auge reichte, trug sie die perfekten Spiegelbilder der Schiffe, die reglos auf dem Wasser trieben. Nirgendwo bewegte sich etwas; nicht einmal ein vorüberfliegender Meeresvogel störte die absolute Perfektion dieses Bildes.
    Dann hustete jemand in seiner Nähe, und das Geräusch beendete das ehrfürchtige Schweigen, das sie alle gefangengehalten hatte. Die Männer begannen, sich zu unterhalten, und ihre zögerlichen ersten Bewegungen verwandelten sich rasch in zielgerichtetes Handeln.
    Sir Henry faltete seine Decke zusammen und schob sie in sein

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