Die Brueder des Kreuzes
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Tournedos kratzte sich geistesabwesend die bärtige Wange, dann wandte er sich erneut dem Anlegeplatz in seinem Rücken zu, wo jetzt drei weitere Neuankömmlinge vor Anker gingen. Seit man ihn auf ihr Näherkommen aufmerksam gemacht hatte, hatte er sie etwa ein halbes Dutzend mal nach irgendwelchen Erkennungszeichen abgesucht, und das wiederholte er jetzt noch einmal. Es waren Christenschiffe, denn sie waren leicht von den kühn geschnittenen Galeeren zu unterscheiden, die die Moslempiraten benutzten. Sie näherten sich von Osten her, vielleicht sogar aus Outremer – in diesem Fall hätte er sie gar nicht kennen können.
Er zog die Nase kraus. Er würde gewiss im Lauf der nächsten Stunde herausfinden, wer sie waren. Dann richtete er den Blick auf die hohen, dicht gedrängten Gebäude an der Hafenfront von Limassol.
Nach allem, was man Tournedos erzählt hatte, hatte der sogenannte Kaiser von Zypern, Isaac Comnenus, eine unbedeutende Gelegenheit, sich zu bereichern, in eine drohende Katastrophe für sich und seine Landsleute ausarten lassen. Statt die Gelegenheit zu nutzen und sich die Gunst Richards zu erwerben, hatte er, als die Überlebenden des Sturmes hilfesuchend in seinen Hafen geweht worden waren, die zukünftige Königin von England und ihre Gefährtin, die ehemalige Königin Siziliens, beleidigt und damit den Mann, der der zukünftige Bräutigam der einen und der Bruder der anderen war, unwiderruflich gegen sich aufgebracht.
Richard von England, der immer öfter Löwenherz genannt wurde, war dem ahnungslosen und schlecht unterrichteten Isaac zu diesem Zeitpunkt bereits sehr viel näher gewesen, als es sich dieser hätte träumen lassen. Und nun musste Isaac für seine Torheit und seine Gier bezahlen.
Richards Flotte würde am folgenden Tag mit seiner gesamten Armee in Limassol eintreffen, und mit dem Ausschiffen der Soldaten würde das Leben für die Bewohner der Region und ihren selbsternannten Kaiser eine interessante Wendung nehmen.
ANDRÉ ST. CLAIR stand mit angespannten Nerven in seinem Boot und wartete darauf, dass ihm der Steuermann das Signal zum Springen gab. Vor ihm hing eine gefährlich schwankende Rampe, die an Ketten befestigt und mit hölzernen Querleisten versehen war, um das Abrutschen zu verhindern. André schluckte krampfhaft und ballte die Hände zu Fäusten. Wieder huschte sein Blick zum Steuermann hinüber, der mit der Gelassenheit des Experten am Ruder stand.
»Wartet«, knurrte der kräftige Seemann, dessen Blick ebenfalls an der Kante der schwebenden Plattform hing, ohne dass seine Hand das Ruder losließ. »Sie ziehen sie schon nicht ohne Euch hoch. Langsam … langsam … Achtung … jetzt!«
André sprang und landete mit beiden Füßen auf der Rampe, während seine Linke eine der Ketten umklammerte. Er atmete heftig aus, dann sah er sich noch einmal nach dem Steuermann um und dankte ihm mit einem Kopfnicken. Genau, als er dann den Blick in die andere Richtung hob, neigte sich das Schiff über ihm – das größte, das André je gesehen hatte – von einer Welle gehoben zur Seite, sodass es über ihm hing … und er spürte, wie ihm die Galle hochkam.
Er schluckte entschlossen und machte sich daran, sich an der steilen Rampe hochzuziehen. Vor jedem Schritt vergewisserte er sich, dass seine Schuhe festen Halt auf der Querleiste hatten, denn die hölzerne Rampe war nass und rutschig, und er hatte nicht vor, in voller Rüstung ins Meer zu stürzen. Auf halber Höhe der bauchigen Bordwand des Dromons vollführte die Rampe eine Zickzackwendung und verlief dann beinahe waagerecht weiter. Zwischen den beiden Teilstücken befand sich eine Plattform, auf der André kurz innehielt, um dafür zu sorgen, dass er vorzeigbar war, wenn er an Deck des Schiffes trat.
Dieser kleine Zwischenhalt war Richards Idee gewesen. Frauen, so hatte der König angedeutet, waren launische Geschöpfe, die sich sehr von Äußerlichkeiten beeinflussen ließen … und André hatte die Andeutung verstanden.
Während er sich seine Kleider zurechtzupfte, meldete sich eine leise innere Stimme, die ihm zumurmelte, dass persönliche Eitelkeit eine Sünde sei und es ohnehin ein Skandal sei, dass sich ein Templer mit Frauen abgab, ganz gleich welcher Herkunft.
Wenn der Tag kam, an dem er sein endgültiges Gelübde ablegte, so wusste er, dass man von ihm verlangen würde, jedem Umgang mit Frauen abzuschwören. Vorerst jedoch sagte er sich, dass er ja noch kein Tempelritter war, sondern
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