Die Brueder des Kreuzes
Ihr werdet ihn brauchen. Morgen wird es ähnlich werden wie heute, doch am Morgen darauf geht es bergauf, und dann wird das Ungeziefer aus den Hügeln angeschwirrt kommen, also haltet Eure Männer bereit. Einer von uns hat vorgeschlagen, dass die Armbrustschützen immer mit schussbereiter Waffe marschieren sollen. Sein Rat wurde nicht beachtet, doch ich bin der Meinung, dass er recht hat. Ich an Eurer Stelle würde meine Leute ermahnen, auf alles vorbereitet zu sein – spätestens ab übermorgen.«
Wieder erscholl in der Ferne das Trompetensignal, und er hob die geballte Faust zum Salut an seine Brust.
»Seid einfach vorsichtig. Dort draußen wimmelt es von Sarazenen.«
ALEC SINCLAIRS Voraussage sollte sich als richtig erweisen. Am nächsten Tag schlugen sie nach weiteren vier Meilen ihr Lager vor den Ausläufern des Berges Carmel auf, ohne auch nur einen einzigen Sarazenen zu Gesicht bekommen zu haben. Als das Gelände sie am folgenden Morgen bergauf zu führen begann, setzten die Angriffe ein, die dann den ganzen Tag und weiter bis in die Nacht hinein anhielten. Die Nerven der Männer waren zum Zerreißen gespannt, da ja keine Warnung möglich war, wo die nächste Attacke vonstattengehen würde. Der Feind stieg in kleinen Gruppen von dreißig bis vierzig Bogenschützen auf kleinen, flinken Pferden aus dem Jemen lautlos von den Hängen hinunter. Nur selten blieb den Franken Zeit, sich auf die Angriffe vorzubereiten, weil die Sarazenen aus dem Nichts kamen und zunehmend Angst und Schrecken verbreiteten. Sie verrichteten ihr tödliches Werk und waren wieder fort, bevor sich die Angegriffenen auch nur sammeln konnten.
Bald jedoch zeigte sich, dass die Angriffe gar nicht so zufällig waren, wie es zunächst geschienen hatte, sondern dass sie einem Muster folgten. Je deutlicher dies in den folgenden Tagen wurde, desto mehr wuchs die Bestürzung der Franken. Dies galt vor allem für die Offiziere, denn Richard und seine zunehmend frustrierten Kommandeure begriffen allmählich, dass sie der Taktik der Sarazenen nichts entgegenzusetzen hatten.
Diese war ebenso schlicht wie wirkungsvoll. Das vornehmliche Ziel eines jeden Angriffs waren die englischen, flämischen und deutschen Schlachtrösser der Franken – wenn auch Soldaten dabei umkamen, war dies nur ein zusätzlicher Glücksfall.
Die Franken waren außer sich über das Gemetzel an ihren wehrlosen Tieren, und die Bischöfe redeten sich in Rage angesichts dieses verachtungswürdigen Aktes der Feigheit.
Alec Sinclair jedoch machte André klar, dass die Sarazenen einfach nur bewundernswert klug und praktisch handelten. St. Clair, der keine halbe Stunde zuvor von einem Pfeil getroffen worden war – der allerdings vom Handschuh seiner Rüstung abprallte und nur ein vorübergehendes Taubheitsgefühl auslöste –, hätte nicht damit gerechnet, einen Mann auf ihrer Seite so etwas sagen zu hören.
»Ich weiß ja, dass Ihr unseren Feind bewundert, Vetter, aber müsst Ihr ihm obendrein noch applaudieren? Was in Gottes Namen ist denn bewundernswert daran, Hunderte von Pferden zu töten?«
»Alles, wenn es zweckdienlich ist. Zeigt mir Euer Handgelenk. Könnt Ihr Euer Schwert festhalten?«
»Ich kann alles festhalten, was ich festhalten muss. Meinem Handgelenk geht es bestens. Ich bin lediglich entrüstet.«
»Pah! Ihr betrachtet die Sache als Pferdefreund, André, und die Sarazenen würden genauso empfinden, wenn wir ihre Pferde angreifen würden. Doch Ihr müsst es praktisch sehen. Unsere Ritter stürzen die Sarazenen in Verwirrung, heutzutage noch mehr als damals in Hattin. Unsere Rüstungen sind kräftiger und schwerer als je zuvor, und sie werden immer besser. Ihre Pfeile können sie jetzt schon kaum noch durchdringen – wie Euer Handschuh ja gerade bewiesen hat –, und im Gegensatz zu unseren Pferden sehen die ihren lächerlich winzig aus. Unsere Pferde sind selbst Waffen, und wenn wir uns in Formation aufreihen, kann uns nichts widerstehen. Das ist unsere Stärke, der sie nichts entgegenzusetzen hätten, wenn wir vernünftig damit umgehen würden.«
Alec kratzte sich an der Nase.
»Jetzt jedoch fürchte ich, dass sie endlich begriffen haben, dass unsere größte Stärke auch unsere größte Schwäche ist. Unsere Pferde, die wir den ganzen langen Weg über das Meer mitgebracht haben, sind unersetzlich. Jedes einzelne ist das Zehnfache seines Gewichtes in Gold wert, denn so viel würde es kosten, ein Pferd, das stirbt, zu ersetzen. Und zu jedem toten Pferd
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