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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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anzuheben.
    Bald hatte er den Umriss des Toten ausgemacht und konnte den Mann im Geiste vor sich sehen. Er lag mit ausgestreckten Beinen auf der linken Seite, und sein rechter Fuß zeigte in die Luft, als sei er erstarrt, während er gerade nach jemandem trat. Doch er spürte noch andere Umrisse unter dem Zeltdach, und während er im Verlauf der harten Arbeit immer durstiger wurde, betete er, dass auch Wassergefäße dazu zählten.
    Schließlich lag das grün-weiß gestreifte Tuch fast vollständig frei, und der Umriss des toten Nomaden zeichnete sich deutlich darunter ab. Sinclair richtete sich auf, atmete tief ein und hielt die Luft an. Er ergriff eine Ecke des Zeltstoffes, zählte bis drei und schlug das Dach dann mit einer großen, ausladenden Bewegung beiseite.
    Er war darauf vorbereitet gewesen, auf die verwesende Leiche eines lange Toten zu stoßen. Doch ihm schlug keine übelriechende Luft entgegen, kein Insekt hatte sich den Weg unter das Tuch gebahnt, und er atmete normal weiter.
    Der Mann, der da mit dem Gesicht auf dem Boden lag, war noch nicht lange tot, und seine kostbare Kleidung und seine gute Rüstung ließen erkennen, dass er kein gewöhnlicher Wüstennomade gewesen war, den der Sturm überrascht hatte. Neben ihm lag ein zusammengefaltetes weißes Baumwolltuch, in dem Sinclair eine Kufiya erkannte, jenen großen, quadratischen Schal, mit dem die arabischen Nomaden ihre Köpfe vor der Sonne schützen. Auf den Schal hatte der Mann sorgfältig einen kostbaren Sarazenenhelm gestellt, dessen Scheitel zu einer hohen Spitze auslief. An der Vorderkante war ein leichtes, aufwendig gearbeitetes Visier befestigt, an der Rückseite ein Stück Kettenpanzer, das bis zur Schulter reichte. Daneben lag ein langer Krummsäbel, dessen blank polierter knöcherner Griff genau wie die abgenutzte Scheide von jahrelangem Gebrauch zeugte.
    Wer auch immer er gewesen war, der Mann war verblutet. Sein gesamter Unterleib war mit einer schwarzen, allem Anschein nach festen Sandkruste überzogen. Unter dem ausgestreckten Fuß, der so aussah, als hätte er nach jemandem getreten, lag der Stock, der das Zeltdach getragen hatte, und Sinclair begriff, was geschehen war. Der letzte, gequälte Tritt des Mannes hatte seinen Unterschlupf über ihm einstürzen lassen und sein Leben beendet.
    Bewegt von der Tragödie eines solchen Todes in der Einsamkeit, suchte Sinclair nach Worten, die er über dem Toten hätte sprechen können, bevor er noch begriff, dass jedes Wort Verschwendung sein würde. Dies war ein Moslemkrieger, ein Ungläubiger, der es ihm nicht gedankt hätte, wenn er seine Seele dem Christengott seiner Feinde anbefahl. Dennoch verneigte er den Kopf, senkte den Blick auf den Toten und murmelte: »Ruhe in Frieden, wer auch immer du gewesen bist. Selbst dein Allah würde nichts gegen diesen Wunsch haben.«
    Er wandte den Kopf ab und betrachtete die anderen Gegenstände, die unter dem Zeltdach begraben gewesen waren. Das Erste, was er sah, war ein schwerer, prall gefüllter Wasserschlauch. Daneben – als hätte er dem Mann als Kopfkissen gedient – lag ein prachtvoller Sattel, dessen lederne Sitzfläche mit getrocknetem Blut überzogen war. Auf der linken Seite war mehr Blut als auf der rechten, als wäre der Mann im Schritt verwundet gewesen. Zügel und Zaumzeug lagen sorgfältig zusammengelegt daneben, und dann, ebenfalls in Reichweite des Liegenden, der Wasserschlauch und zwei fest gepackte Satteltaschen.
    Während er seine gesunde Hand benutzte, um den verletzten Arm zu stützen, schob Sinclair die schweren Satteltaschen zu seiner Sandpyramide, setzte sich auf den Sandhaufen und zog die Taschen an seinem Bein zum Stehen hoch, um nachzusehen, ob sie etwas Nützliches enthielten.
    Doch zunächst zog er sich seinen eigenen Wasserschlauch über den Kopf, steckte sich den Becher zwischen die Knie und legte sich den schwankenden Beutel auf den Arm. Es schien Stunden zu dauern, bis er den Stöpsel mit den Zähnen herausgezogen hatte, doch schließlich konnte er den Schlauch beiseitestellen und aus dem Becher trinken. Er widerstand der Versuchung, ihn noch einmal zu füllen, und steckte ihn wieder in sein Lederwams.
    Sein Blick hing an den Satteltaschen.
    Auch mit nur einer Hand brauchte er nicht lange, um die Verschlüsse der Taschen zu lösen. Die rechte Tasche enthielt Essensvorräte und Werkzeuge zu ihrer Zubereitung: einen großen Beutel Mehl, einen kleinen Beutel gemahlenes Salz und mehrere Stücke stark gewürztes

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