Die Brueder des Kreuzes
er den von einer dünnen Sandschicht bedeckten Kopf und Oberkörper eines Mannes, der zwar zusammengesunken war, aber aufrecht an der Wand zu sitzen schien.
Sein erster Gedanke war Freude, dass Moray einen Unterschlupf gefunden und überlebt hatte, so, wie er es gehofft hatte. Er trat rasch auf den Sitzenden zu, sank auf die Knie und strich dem Mann den Sand von seinem mit Stoff umwickelten Kopf. Der Kopf bewegte sich und fuhr überrascht – oder protestierend – vor der unerwarteten Berührung zurück, doch Sinclairs Finger hatten sich bereits unter der Kopfbedeckung festgehakt, die jetzt durch die plötzliche Bewegung verrutschte und einen Teil des Gesichtes freigab.
In der nächsten Sekunde stand Sinclair wieder aufrecht. Er richtete die Dolchspitze auf den Mann und stand schwankend da.
Das Fleckchen Haut und Haare, das er gesehen hatte, gehörte nicht Sir Lachlan Moray. Lachies Haar war blond, beinahe rötlich golden, und seine hellen Wangen waren von ständigem Sonnenbrand geplagt, weil er in der Wüstensonne einfach nicht braun wurde.
Wer auch immer dort vor Sinclair saß, war kein Freund.
Die Haut in diesem Gesicht war ein tiefes Nussbraun, und die Haare rings um den Mund waren schwarz und drahtig. Sinclair wich noch einen Schritt zurück und hielt seinen Dolch zum Angriff bereit. Doch er war nicht in Gefahr, denn der Mann in der Felsenecke war noch tiefer im Sand begraben, als er selbst es gewesen war, und er spürte jetzt noch in den Knochen, wie anstrengend es gewesen war, sich zu befreien.
Ihm fiel auf, dass unter dem Stoff, der den Mann verhüllte, etwas aus dem Sand zu ragen schien. Ohne den Blick vom Kopf des Mannes zu wenden, steckte Sinclair seinen Dolch in die Scheide zurück. Dann bückte er sich und tastete mit den Fingern nach der unebenen Stelle … und berührte einen Schwertknauf.
Langsam richtete er sich auf und zog die Waffe hervor. Er hielt einen Sarazenensäbel in der Hand, dessen gekrümmte, polierte Klinge in der aufwendigen Art der Syrer gearbeitet war, die man als Damaszener Art bezeichnete. Es war ein gutes Schwert, und das allein verriet ihm, dass sein Besitzer ein Krieger und damit doppelt gefährlich war.
Natürlich brauchte Sinclair ihn nicht zu töten. Er brauchte einfach nur davonzugehen, wieder auf sein Pferd zu steigen, loszureiten und den Ungläubigen seinem Schicksal zu überlassen.
Doch noch während er das dachte, wusste er, dass er dies nicht tun würde. Er war ebenfalls ein Krieger und folgte dem Ehrenkodex der Krieger. Noch nie hatte er jemanden getötet, der nicht seinerseits versuchte, ihn zu töten.
Während er sich noch für seine Torheit verfluchte, stieß er das Schwert in Reichweite mit der Spitze in den Sand und kniete sich neben die zusammengesunkene Gestalt. Wieder fasste er in die Kopfbedeckung des Mannes, und wieder reagierte dieser mit einer heftigen Bewegung, doch Sinclair drückte ihn einfach nur mit seinem geschienten Arm gegen die Felswand, während er ihm mit der gesunden Hand den Kopf auswickelte und sich dann aufrichtete, um zu betrachten, was er da vor sich hatte.
Das Gesicht, das er befreit hatte, war, wie er vermutet hatte, eindeutig sarazenisch, schmal mit hoher Stirn, hakennasig mit vorstehenden Wangenknochen unter tiefliegenden, schmalen Augen, die so dunkel waren, dass sie kohlrabenschwarz erschienen. Lippen und Kinn des Mannes waren mit schwarzem, drahtigem, glänzendem Haar bewachsen, das mit feinem Sandstaub überzogen war. Das Weiße seiner Augen war verfärbt und sah schmerzhaft gereizt aus, wahrscheinlich ebenfalls durch den Staub, doch das Gesicht selbst war nicht böse. Das Wort, das Sinclair dafür in den Sinn kam, war stoisch.
Der Sarazene, der sich nicht bewegen konnte, blickte ihn ausdruckslos an, während er abwartete, was Sinclair tun würde. Eine Zeit lang bewegte sich keiner der beiden Männer, und keiner sagte etwas.
Schließlich holte Sinclair Luft.
»Also dann, Junge«, sagte er im Dialekt seiner schottischen Heimat. »Holen wir dich erst einmal hier heraus.«
Er hob beschwichtigend einen Finger an seine Lippen, dann zog er langsam seinen Dolch und steckte ihn neben sich in den Sand. Ohne ein weiteres Wort beugte er sich vor und machte sich daran, den Sand beiseitezuschaufeln. Er begann am Kinn des Mannes, legte seine Schultern frei und ließ den linken Arm folgen. Dabei kam ein Kettenhemd zum Vorschein, das ihn an das kostbare Stück in der Satteltasche des Toten erinnerte.
Jetzt ging ihm der Sarazene zur
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