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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Was, wenn das Pferd sich wehrte, wenn er es zum Gehen antrieb? Ein ordentlicher Bocksprung, und er würde am Boden liegen.
    Und was sollte er mit dem Speer anfangen? Er war jetzt genauso nutzlos wie zuvor sein Schwert, denn er konnte ihn nicht festhalten und gleichzeitig die Zügel halten. Er warf einen bedauernden Blick auf die stabile Waffe, dann rammte er den Speer mit der Spitze in den Boden. Er öffnete die linke Satteltasche und holte den juwelenbesetzten Dolch hervor. Einen Moment lang betrachtete er ihn bewundernd, bevor er ihn in die Vorderseite seines Lederwamses schob.
    Dann biss er die Zähne zusammen, nahm die Zügel fest in die eine Hand und trieb das Pferd mit den Fersen an – er hatte ganz vergessen nachzusehen, ob der Vorbesitzer des Pferdes Sporen trug. Das Pferd grunzte und setzte sich gemächlich in Bewegung. Sinclair richtete ein lautloses Stoßgebet an die Gottheit der Reiterei. Der sanfte Schritt des Pferdes war angenehm, und er hatte nicht vor, etwas Wildes zu wagen, bevor er den Charakter des Pferdes einschätzen konnte. Auch so hatte sich seine Reisegeschwindigkeit mit einem Schlag verdreifacht.
    Er streckte die Hand aus und klopfte dem Pferd dankbar und ermunternd den Hals.
    »Gut gemacht, Kleiner«, flüsterte er. »Es sieht so aus, als ob wir beide jetzt zusammengehören.«

5
    E
    INGELULLT DURCH DIE REGELMÄSSIGEN, vertrauten Bewegungen des Pferdes, konnte sich Sinclair nicht daran erinnern, eingeschlafen zu sein, doch als das Pferd plötzlich stehen blieb und leise wieherte, fuhr er mit hämmerndem Herzen auf. Wie hatte er nur so töricht sein können einzunicken, und welchen Preis würde er jetzt dafür bezahlen müssen?
    Doch er konnte nichts Gefährliches erspähen und nahm keine Bedrohung wahr. Das einzig Ungewöhnliche war, dass das Pferd reglos und mit aufgerichteten Ohren dastand.
    Er konnte sich nicht erinnern, irgendwelche Felsen gesehen zu haben, bevor er einschlief, doch jetzt ragte keine fünfzehn Schritte vor ihm ein Felsenturm auf, der mehr als viermal so hoch war wie er selbst. Plötzlich hellwach, starrte er den Felsen an, in dem eine schwarze Kluft gähnte – und den Speer, der davor mit der Spitze in den Sand gebohrt war, ähnlich dem Speer, den er selbst vorhin zurückgelassen hatte. Wenn er eine ebensolche Länge hatte, so musste er halb im Sand vergaben sein.
    Schlagartig begriff er, dass jemand in der Felsenkluft auf ihn lauern konnte, vielleicht sogar ein Bogenschütze, und dass er es geradezu darauf anlegte, angegriffen zu werden, wenn er weiter reglos hier verharrte.
    Er war schon im Begriff, kehrtzumachen, als sein Blick noch einmal zu dem Speer zurückkehrte.
    Die Bahre, die Lachlan Moray gestohlen hatte, hatte aus zwei Speeren bestanden. Einen davon hatte Sinclair als Wanderstab benutzt, den anderen hatte er in der Höhle zurückgelassen, in der sie Zuflucht gefunden hatten. Was, wenn es noch einen dritten gegeben hatte und Lachlan ihn mitgenommen hatte? Unwahrscheinlich, ja, aber nicht unmöglich. Er selbst war schließlich die meiste Zeit auf der Bahre bewusstlos gewesen und hatte sie nicht genau studiert.
    Wenn es so war, war es gut möglich, dass die halb im Boden versenkte Waffe vor der Felsenkluft genau dieser dritte Speer war und er als Signal im Boden steckte. Zwei Schritte weiter erhob sich die schwarze Kluft aus dem Sand, der ebenfalls in ihr Inneres eingedrungen sein musste. Es war möglich, dass Moray schlafend oder verletzt dort drinnen lag.
    So sanft er konnte, stieg Sinclair ab. Er zog den Dolch mit der langen Klinge und bewegte sich vorsichtig auf die Höhle zu. Geblendet durch das Licht, das von der Felsenoberfläche abstrahlte, kniff er die Augen zusammen und blinzelte in die schwarze Höhlenöffnung. Doch nach zwei Schritten erkannte er, dass er einen Schatten vor sich hatte, keine wirkliche Öffnung im Felsen. Ein messerscharfer Vorsprung, der mit der Oberfläche des Felsens verschwamm, ragte ihm entgegen. Er bildete einen geschützten Winkel mit dem Felsen und warf den schwarzen Schatten, den er für einen Höhleneingang gehalten hatte.
    Verärgert, weil er ohne guten Grund vom Pferd gestiegen war, richtete sich Sinclair aus seiner leicht gebückten Haltung auf und war schon im Begriff, sich abzuwenden, als ihn seine Neugier drängte, näher an den Felsen heranzutreten und sich zu vergewissern, dass der geschützte Winkel tatsächlich so leer war, wie es den Anschein hatte.
    Er war es nicht. In der äußersten Ecke der Felsennische sah

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