Die Brueder des Kreuzes
Auserwählten erhoben worden bist?«
Hinter dem gespielten Verhörton seines Vaters verbarg sich echte Skepsis. André war alles andere als überrascht, doch er wusste nun einmal, dass es gewisse Dinge in seinem Leben gab, die er seinem Vater niemals enthüllen konnte, Dinge, über die sie niemals würden sprechen können. Er winkte ab und schüttelte den Kopf, bevor er sich erhob und zum Kamin mit seinem großen eisernen Kohlebecken trat. Er stellte seinen Weinkelch auf dem Kaminsims ab und hockte sich hin, um einige Scheite vom Brennholzstapel an der Wand in das erlöschende Feuer zu legen – und um Zeit zu gewinnen, gegen die Schuldgefühle anzukämpfen, die ihn immer wieder überkamen, obwohl sein Geheimnis nichts an seiner Sohnesliebe und seinem Respekt gegenüber seinem Vater änderte.
Doch sein Schweigen blieb nicht unbemerkt, denn sein Vater fragte jetzt: »Wovon träumst du denn da unten?«
André erhob sich.
»Von den Templern«, sagte er beiläufig. Wie üblich, wenn es darum ging, die Geheimnisse der Bruderschaft zu schützen, log er mühelos.
»Ich habe zugesehen, wie die Flammen über das Holz züngeln, und musste daran denken, dass wir in Outremer nicht viel Holz zu sehen bekommen werden. Es heißt, die Menschen dort verbrennen Kameldung. Ich habe sogar einmal von einem Templersergeanten gehört, dessen Hauptaufgabe darin bestand, mit seinen Männern den gesamten Dung, den sie auf den Straßen Jerusalems finden konnten, als Brennstoff aufzusammeln.«
»Das klingt wie eine würdige Art, Gott zu dienen …«
André ignorierte den Sarkasmus seines Vaters.
»Das schien Hugh de Payens auch zu denken, denn er war es, der ihnen diese Aufgabe erteilt hat.«
»Hugh de Payens? War das nicht …?«
»Der erste Großmeister des Tempels, der Gründer des Ordens. Aye, Vater, das war er.«
»Hmm.«
Henry betrachtete seinen Sohn.
»Meinst du wirklich, dass du dich ihnen anschließen wirst, André, und das volle Gelübde ablegen wirst?«
Das flüchtige Grinsen seines Sohnes beruhigte Henry sehr.
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte André. »Es ist ein Gedanke, der mir hin und wieder durch den Kopf geht, mehr nicht. Ich werde als einer der Ihren in Outremer kämpfen, das habe ich versprochen, aber ich glaube nicht, dass ich das offizielle, bindende Gelübde ablegen werde.«
»Warum hast du dann so viel mit ihnen zu tun, mit diesem de Sablé?«
»Das habe ich doch gar nicht«, sagte André mit großen Augen. »Ich habe nichts mit den Rittern zu tun. Mit de Sablé, ja, aber er ist kein Templer, noch nicht. Wir arbeiten beide für Richard, und zwar hart.«
»Was tut ihr denn?«
Andrés Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Nun, Sir Robert ist dabei, eine Flotte zusammenzustellen, die wahrscheinlich die größte Flotte der Geschichte ist. Ich hingegen unterweise Männer im Umgang mit der neuen Armbrust.«
»Was ist denn neu an dieser Armbrust?«
»Es ist die jüngste Weiterentwicklung dieser Waffe. Die Armbrust ist von Anfang an meine bevorzugte Waffe gewesen, und Richard teilt diese Vorliebe. Nun, wir sind miteinander ins Gespräch gekommen, und er wollte alles über den Schuss wissen, mit dem ich den Priester getötet habe – wie ich die Armbrust justiert und gezielt habe und so weiter. Ein Wort hat das andere ergeben, und am Ende hat er mich damit beauftragt, mich um die Ausbildung der neuen Armbrustschützen zu kümmern – nicht, um andere als Armbrustschützen zu unterweisen, sondern um sie zu Lehrmeistern für die Ausbildung wiederum anderer zu machen. Dabei sollte ich besonders darauf achten, dass die neue Waffe verwendet wurde. Er ist sehr begeistert davon, und ich kann verstehen, warum.«
»Hast du denn seit deinem Aufbruch sehr viel Zeit mit ihm verbracht?«
»Mit Richard?« André schüttelte den Kopf. »Nein, kaum. Hier und da eine halbe Stunde, und vielleicht drei Stunden, als er mich mit dieser Aufgabe betraut hat, denn er wollte ganz sichergehen, dass ich verstand, was er von mir wollte. Danach habe ich ihn noch ein paar Mal im Vorüberreiten gesehen.«
»Gut. Möglicherweise ist das ein Segen. Vertrau mir als deinem Vater, André. Hüte dich vor Richard. Solltest du öfter in seiner Nähe weilen, wirst du Eigenschaften an ihm feststellen, die dich möglicherweise vor den Kopf stoßen werden. Mehr werde ich dazu nicht sagen, denn du bist alt und klug genug, um solche Dinge selbst zu sehen und deine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Aber wenn du dich dabei ertappst, dass er
Weitere Kostenlose Bücher