Die Brueder des Kreuzes
Arbeit.
Es dauerte zwei volle Wochen, bis sein Körper begann, sich nach der langen Untätigkeit wieder an die Belastungen zu gewöhnen, die er ihm abverlangte. Mehrfach erreichte er den Punkt, an dem er glaubte, die endlose Quälerei nicht länger ertragen zu können, doch Henry St. Clair hatte sich noch nie vor der Erfüllung seiner Pflicht gedrückt. Sein ganzes Leben hatte er mit der gnadenlosen Ausbildung anderer verbracht und unerfahrenen Schülern Disziplin und Gehorsam eingetrichtert. Sich selbst gegenüber war er nun nicht weniger hart. Was blieb ihm auch anderes übrig – war er sich doch seiner Schwäche derart bewusst, dass er vor Scham gestorben wäre, wenn Richard Plantagenet zurückgekehrt wäre und ihn gesehen hätte, bevor er dazu bereit war.
Doch dann kam ein Tag, an dem es ihm nicht mehr ganz so schmerzhaft schien, sich in den Sattel zu hieven, und ihm der Schwung seines Schwertes am Nachmittag eleganter und entschlossener vorkam. Danach gingen die Verbesserungen schnell voran, und er nahm täglich an Körperkraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Sattelfestigkeit zu. Sein Gesicht und seine Hände färbten sich dunkler, weil er täglich und bei jedem Wetter ritt, und obwohl ihm seine Muskeln weder voluminöser noch fester vorkamen, konnte er doch spüren, wie ihre Kraft mit jedem Tag zunahm. Stundenlang konnte er jetzt sein Schwert gegen den Pfosten schwingen, dass die Splitter und Späne nur so flogen, und er musste immer seltener rasten.
Dieses neu gefundene Können erfüllte ihn mit Jubel, denn es war der Beweis dafür, dass er seinem Ziel der Abhärtung näher kam. Selbst seine Rüstung kam ihm jetzt leichter vor, und er spürte sie kaum noch, obwohl er inzwischen grundsätzlich vollständig bewaffnet und in voller Rüstung ritt.
Anfang Juni speiste er mit einem französischen Ritter, der auf der Durchreise war und ihn für eine Nacht um seine Gastfreundschaft gebeten hatte. Sein Gast unterrichtete ihn davon, dass es erneut Krieg zwischen Philip und Heinrich gegeben hatte und dass Herzog Richard, dessen Vater ihm die Thronfolge nach wie vor verweigerte, sich offen an Philips Seite gegen Heinrich gestellt hatte. Gemeinsam mit dem französischen König belagerte er nun seinen eigenen Vater in Le Mans, der Stadt, in der Heinrich zur Welt gekommen war und von der es hieß, sie sei seine Lieblingsstadt.
Der Ritter – sein Name war du Plessey – erzählte Sir Henry, er selbst sei vor zwei Tagen vom Ort der Belagerung aufgebrochen, um für Philip Depeschen nach Angoulême zu bringen.
Trotz der drängenden Fragen seines Gastgebers konnte er diesem jedoch keine Auskunft über den Verbleib André St. Clairs oder Robert de Sablés geben. Seit Richards Besuch im April war André ständig mit de Sablé unterwegs, und Henry hatte keine Ahnung, ob sich sein Sohn bei Richards Heer in Le Mans befand.
VIER WOCHEN SPÄTER kehrte André am Nachmittag des sechsten Juli, eines herrlichen Sommertages, allein und bei bester Gesundheit heim. Er war froh, zu Hause zu sein, selbst wenn es nur für ein paar Tage sein würde. Auch er befand sich auf dem Weg nach Angoulême, um dem dortigen Templerkommandeur Dokumente von Robert de Sablé aus Orleans zu überbringen.
Andrés Eintreffen versetzte den gesamten Haushalt in ausgelassene Feierstimmung, denn der junge Mann erfreute sich großer Beliebtheit. Henry nahm die allgemeine Aufregung gutmütig hin, und am ersten Tag des unerwarteten Besuchs teilte er seinen Sohn großzügig mit den anderen, ohne zu versuchen, über irgendetwas Wichtiges mit ihm zu sprechen. Auch beim Abendessen herrschte Hochstimmung, und erst als sich der Rest des Haushaltes zurückgezogen hatte und selbst Ector zu Bett geschickt worden war, konnten sich Vater und Sohn zusammensetzen und sich bei einem Krug von Henrys Lieblingsburgunder unterhalten.
André hatte im Lauf des Tages viel über Sir Henrys eiserne Körperertüchtigung gehört, und jeder hatte darauf gebrannt, ihm von den verblüffenden Veränderungen der Erscheinung und der körperlichen Verfassung seines Vaters zu berichten. Doch als André das Thema jetzt erneut anschneiden wollte, winkte sein Vater ab.
»Wir haben doch schon über mich geredet. Mich interessiert viel mehr, wie es dir ergangen ist. Was hast du getan? Ich hatte angenommen, dass du dich bei Richards Armee befindest, da ihm so viel an Sir Robert de Sablés Nähe zu liegen scheint. Und dem Brief, den du mir letzten Monat geschickt hast, habe ich entnommen, dass du
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