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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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geweihte Bruder machte diese Odyssee durch, an deren Anfang er dagegen ankämpfte, um am Ende seinen Frieden mit der Enormität dessen zu schließen, was sich als die absolute Wahrheit erwiesen hatte. Und so willigten sie Mann für Mann ein, den Rest ihres Lebens dieser Wahrheit zu widmen.
    Diese Zielstrebigkeit blieb unbeeinträchtigt, bis sich der Orden im Jahr 1127 umbenannte, indem er das Wort Wiedergeburt aus seinem Titel strich und sich fortan nur noch Orden von Sion nannte. Nur die Brüder selbst wussten von dieser Änderung, und sie lächelten stolz, wenn sie daran dachten, denn nach einem Jahrtausend war damals die Wiedergeburt erfolgt: Eine kleine Gruppe von neun Rittern aus dem Languedoc, allesamt Mitglieder der Bruderschaft unter Führung eines Mannes namens Hugh de Payens, hatte Ausgrabungen unter dem Fundament des Tempelbergs in Jerusalem durchgeführt, und nach achtjähriger akribischer und geheimer Suche hatten sie genau das gefunden, was die Ordenslehre ihnen verheißen hatte.
    Mit dem Gedanken an diese Dinge, die er wusste und die sein Vater nie erfahren würde, legte sich André an diesem Abend schlafen und fühlte sich im Haus seines Vater fremder als je zuvor.

    AM NÄCHSTEN MORGEN fanden sich Vater und Sohn auf dem Übungsplatz zwischen dem Schloss und der Außenmauer ein. Am Ende waren sie beide nicht gut aus dem Bett gekommen und warteten nun wortlos auf den Sonnenaufgang. Sir Henry stand ein Stück von seinem Sohn entfernt mit der schweren Armbrust im gedämpften Licht des neuen Tages. André trug einen Köcher mit schweren Bolzen über die Schulter gehängt und betrachtete den soliden alten Eichenpfosten, der zum Üben mit dem Schwert diente.
    »Den können wir nehmen«, sagte er und ging zu seinem Vater hinüber. »Bald ist es hell genug.«
    Dann lief er voraus zum anderen Ende des Platzes, keine fünfzig Schritte von dem Pfosten entfernt. Dort nahm er Sir Henry die schwere Waffe ab und begann sie zu laden. Gekonnt drückte er die Vorderseite zu Boden und trat mit dem Fuß auf den Bügel. Dann beugte er sich vor und stemmte das hintere Ende gegen seinen Bauch, um dann mit beiden Händen den Spannmechanismus aufzuziehen, der die dicke Bogensehne zurückzog, bis sie sich über den Auslöser legte, der aus dem Korpus der Waffe ragte. Dieser war mit einer langen Einkerbung versehen, die den gefiederten Bolzen aufnehmen würde. Sein Vater stellte bewundernd fest, dass André die Aufgabe mit dem Können und der Leichtigkeit eines Meisters bewältigte.
    »Das war das Schwierigste«, sagte André, während er sich aufrichtete und sich mit dem Handrücken einen Schweißtropfen von der Augenbraue wischte.
    »Jetzt legen wir einfach den Bolzen ein und sehen uns an, was er macht.«
    »Ist dies dieselbe Waffe, von der du behauptet hast, dass sie fünfhundert Schritte weit schießt?«
    »Aye, das ist sie. Warum fragst du?«
    »Weil der Pfosten, auf den du zielen willst, keine fünfzig Schritte von hier entfernt ist. Womit willst du mich da beeindrucken?«
    »Sieh es dir ruhig an. Reich mir einen Bolzen.«
    Henry zog einen Bolzen aus dem Köcher am Boden und richtete sich langsam wieder auf. Mit hochgezogener Augenbraue reichte er ihn seinem Sohn, der ihn schussbereit einlegte.
    »Aye«, sagte André. »Er war schwerer, als du erwartet hattest, nicht wahr? Der Bolzen ist aus massivem Stahl. Jetzt sieh hin.«
    Er hob die Armbrust an seine Schulter, schloss ein Auge, um mit dem anderen zu zielen, und drückte auf den Hebel, der den Auslöser betätigte. Es folgte ein lauter, abrupter Knall, und Henry sah, wie das Ende der Waffe nach oben ausschlug. Er sah seinen Sohn an und grinste.
    »Das war unglücklich. Die Heftigkeit des Rückstoßes muss dich beim Zielen gestört haben, oder?«
    »Nein, Vater«, sagte André und schüttelte entschieden den Kopf. »Der Bolzen war lange fort, als sich die Spitze der Waffe gehoben hat. Sieh doch.«
    Er wies auf den Pfosten, doch so angestrengt Henry auch hinsah, er konnte keine Spur des Bolzens erspähen.
    »Du hast den Pfosten verfehlt«, sagte er.
    »Nein, das habe ich nicht. Sieh es dir genauer an.«
    Henry setzte sich in Bewegung, ohne den Pfosten aus den Augen zu lassen. Seine Schritte wurden immer schneller, bis er schließlich zögerte und stehen blieb. Er konnte gar nicht glauben, was er sah. Der Stahlbolzen, der über vierzig Zentimeter lang war und so dick wie einer seiner Finger, hatte sich fast vollständig in den Pfosten gebohrt, in dessen verwittertem Holz

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