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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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über seinen Kopf hinwegflog und reglos mit dem Gesicht nach unten landete.
    Keiner der Zuschauer regte sich oder machte ein Geräusch. Nur Richard war zu hören, als er sich hochrappelte, sich zu voller Größe aufrichtete und schwankend auf Falkenauges reglosen Körper blickte. Schließlich wies er mit der Hand auf seinen niedergestreckten Gegner.
    »Nun, in Gottes Namen, seid Ihr alle stumm geworden? Lebt er noch, oder habe ich ihn umgebracht?«
    Diese Worte brachen den Bann, und sofort scharte sich alles um den Mann am Boden.
    »Er atmet noch«, rief jemand. »Er lebt noch. Achtung, Vorsicht. Macht Platz und lasst ihn zu Atem kommen.«
    Und damit setzte die übliche, lärmende Begeisterung der Soldaten wieder ein, und sie begannen, über das Für und Wider der technischen Einzelheiten des Kampfes zu diskutieren.
    Sir Henry, der immer noch im Sattel über ihnen allen thronte, sah, wie die Finger des bewusstlosen Mannes zuckten und sich zur Faust ballten. Er sah, wie sich Richard in Bewegung setzte und nicht nur den Kampfstab aufhob, den er selbst benutzt hatte, sondern auch den des Mannes namens Falkenauge. Dann trat er wieder an die Seite des am Boden Liegenden und blickte mit unergründlicher Miene auf ihn nieder.
    Als Falkenauge schließlich die Augen öffnete, sah er sich von Männern umringt, die ihm alles Gute wünschten, und kein Geringerer als Richard von England kniete an seiner Seite. Der König lächelte ihn an und sagte etwas, doch Falkenauge war noch nicht wieder so weit bei Sinnen, dass er hätte verstehen können, was der Monarch zu ihm sagte.
    Später sollte er sich daran erinnern, dass ihn Richard mit drei Goldstücken belohnt hatte – mehr Reichtum, als Falkenauge je zuvor in der Hand gehalten hatte –, doch von dem Kampf wusste er nichts mehr. Er musste sich auf die Schilderungen seiner Freunde verlassen, die ihm zu seiner Genugtuung erzählten, dass er Plantagenet einen respektablen Kampf geliefert hatte und ihn sogar zu Boden geschlagen hatte. Das hatte ihm das erste Goldstück eingebracht. Die beiden anderen hatte er verdient, weil es ein so guter Kampf gewesen war. Zudem hatte Richard in einem Akt nie dagewesener Großzügigkeit jedem der beiden anderen Kämpfer ein Silberstück geschenkt, um ihnen seine Dankbarkeit für ihre Treue und Kameradschaft auszudrücken.
    Sir Henry St. Clair kannte dieses Ritual von früher, und die Launen des Königs beeindruckten ihn schon lange nicht mehr. Jedes Mal jedoch empfand er eine widerwillige Bewunderung für die Unverfrorenheit, mit der sich Richard bei seinen leichtgläubigen Anhängern einschmeichelte. Seine unverhohlene Selbstverherrlichung verschlug Henry immer wieder den Atem, und jedes Mal registrierte der erfahrene Ritter kopfschüttelnd, wie bereitwillig und blind sich die Leute hinreißen ließen.
    Während er dies dachte, wanderte sein Blick über den König hinweg, und er musste feststellen, dass ihn die Miene seines Sohnes erstaunte, denn wo er geduldige Belustigung oder sogar Bewunderung für Richards schamlosen Mummenschanz erwartet hätte, sah Henry stattdessen ein schwaches Stirnrunzeln. Es war nur für jemanden zu sehen, der sein ganzes Leben damit verbracht hatte, das Gesicht seines einzigen Sohnes liebevoll zu beobachten.
    Was bedeutete diese Miene? War es Verachtung, Argwohn, Missbilligung, offene Antipathie? Wahrscheinlich von allem etwas.
    Dann wurde ihm bewusst, dass auch er die Stirn runzelte und auf jeden Beobachter einen besorgten Eindruck machen musste. Rasch befreite er sein Gesicht von jedem Ausdruck und wendete beiläufig sein Pferd. Er verkniff es sich, seinen Sohn noch einmal anzusehen, war aber fest entschlossen, bei nächster Gelegenheit herauszufinden, was die Meinung, die André von seinem Retter hatte, so verändert hatte – dem König Plantagenet, der bei ihrer letzten Begegnung noch sein Held gewesen war.

    DAS GEMACH, DAS MAN Sir Henry St. Clair zugewiesen hatte, war komfortabel ausgestattet, wie es sich für das Quartier eines Heeresberaters ziemte. Es war gemütlich und frei von Zugluft. Der Fußboden bestand aus sorgsam zusammengefügten Steinplatten und war mit frischen Binsen bestreut. Nur die Fläche vor dem Kamin lag bloß. Die hohen Wände waren mit schweren Gobelins verhängt, und die Möbel waren aus stabilem Eichenholz geschreinert.
    Als Sir Henry die Tür öffnete und sie festhielt, um André zuerst eintreten zu lassen, sah er, dass Ector bereits drei Dienstboten dabei beaufsichtigte, das Feuer im

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