Die Brueder des Kreuzes
Kohlebecken neu zu schüren und den Tisch zu decken. Beim Eintreten seines Herrn klatschte Ector fest in die Hände und bedeutete seinen Untergebenen, ihre Aufgaben unverzüglich zu beenden und sich zu entfernen.
Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, verneigte er sich vor Sir Henry.
»Kann ich noch etwas für Euch tun, Mylord?«
Sir Henry schüttelte den Kopf und winkte ab.
»Geht zu Bett, Ector. Heute Abend brauche ich Euch nicht mehr.«
Er ließ den Steward gehen, dann wandte er sich seinem Sohn zu. Dieser hatte sich seines Rockes und seines Schwertes entledigt und beides über das freie Ende der gedeckten Tafel gelegt. Das Essen beachtete er nicht, doch er roch anerkennend an dem schlanken Silberkrug mit dem Lieblingswein seines Vaters. Mit einem kleinen Lächeln angesichts der Ernsthaftigkeit seines Sohnes legte auch Henry Schwert und Umhang ab und hängte beides an einen Haken an der Wand, um sich dann auf einen der beiden Sessel am Feuer zu setzen.
»Nun denn«, sagte er ohne Umschweife. »Erzähle mir, worüber du dich mit unserem Lehnsherrn gestritten hast. Und versuch erst gar nicht, so zu tun, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche.«
Inzwischen waren die beiden Männer allein, und Henrys Worte und die darin angedeutete Kritik ließen André beim Einschenken des Weins innehalten. Er richtete den Blick argwöhnisch auf seinen Vater und zog eine Augenbraue hoch. Dann stellte er den Krug langsam auf den Tisch zurück. Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, ließ er mit langsamen, übertriebenen Bewegungen die Schultern kreisen und dehnte seine Arme.
Sir Henry beobachtete ihn aufmerksam und bewunderte die Disziplin, die es seinem Sohn ermöglichte, keinerlei Gemütsregung zu zeigen, obwohl er sich doch fragen musste, wie sein Vater auf diese Frage kam und was er wusste oder vermutete.
Henry wartete geduldig, bis sein Sohn zu einer Antwort bereit war. Nach einer Weile nickte André kaum merklich und machte sich dann wieder daran, ihnen Wein einzuschenken. Er verschloss den Krug und nahm beide Becher mit zum Kamin, wo sein Vater saß und ihn beobachtete. Er reichte ihm einen Becher, nahm sich den zweiten Sessel und blickte dann in das flammende Herz des Kohlebeckens.
»Nach meinem Aufenthalt in England mit seinem kalten Wetter finde ich es merkwürdig, dass man mitten in Frankreich im Sommer ein Feuer braucht.«
»Aye, aber wir sind hier nicht mitten in Frankreich. Wir sind mitten in einer alten Steinburg im Westen von Burgund, wo es feucht und zugig ist und wo die Sonne weder im Winter noch im Sommer hinkommt. In diesen Räumen ist es immer kalt. Weichst du meiner Frage aus?«
»Nein, Vater, das tue ist nicht.« André blickte zu seinem Vater auf. »Ich habe nur noch nicht die richtige Antwort gefunden.«
»Warum denn nicht? Ist das so schwierig? Außer uns beiden ist niemand hier, also bist du nicht in Gefahr, der Aufwiegelei oder der Untreue bezichtigt zu werden, ganz gleich, was du sagst. Du bist irgendwie uneins mit dem König, das weiß ich, weil ich dich beobachtet habe. Aber Richard hat sich dir gegenüber freundlich verhalten, also kann es kein großes Zerwürfnis gegeben haben. Sonst wärst du wahrscheinlich als Persona non grata im Kerker.«
»Aye, oder man hätte mich hingerichtet. Das stimmt, Vater. Aber vergiss nicht, dass du selbst mich ermahnt hast, meine Missbilligung gegebenenfalls für mich zu behalten.« Er zuckte mit den Achseln. »Also habe ich das getan. Mir ist etwas … Unangenehmes aufgefallen. Etwas, womit ich niemals gerechnet hätte.«
»Unangenehm? Nichts Schlimmeres?«
»Nein, zumindest nicht, solange ich nicht darüber nachgrübele. Dann jedoch beginne ich, mich zu ekeln.«
»Hmm. Nun, dann erzähl mir von diesem unangenehmen Zwischenfall.«
Andrés Miene wurde härter.
»Es war kein Zwischenfall, Vater. Es war weitaus mehr als das. Ich muss sagen, dass mir der ganze Mann unangenehm ist. Ich kann es gar nicht fassen.«
Angesichts der kalten, strengen Missbilligung im Gesicht seines Sohnes spürte Sir Henry, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten, und er bildete sich ein, Richards berüchtigte Homosexualität wie einen bedrohlichen Geist über Andrés Kopf schweben und obszön gestikulieren zu sehen.
»Hasst du die Juden, Vater?«
»Was?«
Die Frage w ar so anders als das, was er erwartet hatte, dass sie Henry völlig verblüffte.
»Ob ich –? Nein, ich hasse die Juden nicht.« Er zögerte, dann pl atzte er heraus: »Warum kümmert dich das?
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