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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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bis zum mittleren Gelenk. Noch immer hielt er ihren Brautstrauß in der anderen Hand. War es vorhin leises Gekicher gewesen, wurde nun lauter gelacht. Ohne nachzudenken schob sich Tessa mit der freien Linken den Ring selbst übers Gelenk.
    Jemand applaudierte. Hastig griff sie nach dem zweiten Ring auf dem Kissen. Es gelang ihr, ihn Sebastian in einer einzigen Bewegung überzustreifen.
    »Bravo!«
    Sie wollte schon zurücktreten, sich wieder auf den Stuhl setzen, darauf hoffen, dass Nuala schnell zu singen anfing, als Sebastian sie an der Schulter fasste. Beim Vorgespräch hatte sie gelacht, als der Pfarrer erzählt hatte, dass die meisten Paare nach dem Ringwechsel das Küssen vergaßen.
    I can’t imagine living one day without you
    I’d rather just lay down and just die
    'Cause all I care about is what I mean to you
    Sweet baby just knowing you is heaven
    I’ll always want you in my life
    Tessas und Sebastians Lippen lösten sich voneinander, ein paar Leute klatschten, sie nahm ihm den Brautstrauß ab. Im Setzen flüsterte sie: »Das ist schlimmer als zehn Sendungen.«
    »Schlimmer als zehn
Macbeth
-Vorstellungen.« Sie lächelten sich an. Alles war gut.
    I can’t explain, I can’t explain the way I feel
    You are the rhythm of my heart
    And every beat you give is just how I make do
    Swear girly, nothing else could matter
    Just stay here in my heart
    Nuala sang ihre eigene Version des Liedes. Ein klare Melodie zwischen Verlangen und Melancholie. Ihre Stimme war nicht so voll wie früher, aber wenn man nicht wusste, dass sie gerade einer tödlichen Krankheit entkommen war, hätte man nichts gemerkt. Auch Sebastian lauschte mit Hingabe. Tessa war sicher, spätestens jetzt sah er ein, dass Feli ein Fehler gewesen wäre.
    Deep in my heart
    Always love you, always love you …
    Als ahne er, dass er nun bald an der Reihe war, begann Victor zu schreien. Tessa widerstand dem Impuls, sich umzudrehen. Wenn es schlimmer wurde, würde Katahrina etwas unternehmen. Das Taufbecken war mit Wasser gefüllt. Die Osterkerze brannte. Gut, dass sie mit dem Pfarrer vereinbart hatten, auf die Taufpredigt zu verzichten.
    Nualas letzte
Always-love-yous
gingen im Babygebrüll unter.
    Der Pfarrer lächelte, als seien schreiende Täuflinge das Schönste und Natürlichste der Welt. »Liebe Paten! Ich bitte euch nun, mit dem Kind nach vorn zu treten.«
    Auch Tessa und Sebastian erhoben sich von ihren Stühlen und gingen nach rechts zum Taufbecken. Georg wirkte gelassen, obwohl sich Victor auf seinem Arm bereits rot geschrien hatte. Attila grinste und verdrehte kurz die Augen.
    »Liebe Eltern und Paten, ich frage euch: Wollt ihr, dass dieses Kind auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird, so antwortet: Ja.«
    Vier Menschen sagten: »Ja.«
    »Wollt ihr dazu beitragen, dass dieses Kind das Evangelium von Jesus Christus kennen lernt und den Weg in die christliche Gemeinde findet, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.«
    »Ja. Mit Gottes Hilfe.«
    Tessa warf Attila einen kurzen Seitenblick zu. Der Mann, der sich selbst als muslimisch-protestantischen Atheisten bezeichnete, schien sich zu amüsieren wie selten.
    »So bringt das Kind zur Taufe.«
    Georg hielt Victor mit dem Kopf über das Becken, Sebastian und Tessa folgten ihm. Nur Attila blieb einige Schritte zurück.
    »Wie heißt das Kind?«
    »Victor Liam.«
    »Victor Liam, ich taufe dich auf den Namen des Vaters …«, zum ersten Mal fuhr der Pfarrer mit der Hand ins Wasser und ließ einige Tropfen auf Victors Stirn rieseln, der schrie, als habe ihn flüssiges Blei getroffen, »… und des Sohnes …«, noch mehr Wasser, noch mehr Geplärr, »und des Heiligen Geistes …« Tessa war kurz davor, Sebastians Cousin das Kind zu entreißen, als der Pfarrer »Amen« sagte. Er entzündete die Taufkerze mit der Taube an der Osterkerze. Attila war so sehr damit beschäftigt, in den Taschen seines Smokings zu kramen, dass er nicht merkte, als der Pfarrer ihm die Taufkerze überreichen wollte.
    »Oh, danke«, sagte er und nahm die Kerze entgegen.
    Sebastian hatte seinem Cousin den unvermindert schreienden Victor abgenommen, und auch der Cousin griff nun in die Brusttasche seines Anzugs. Auf Anhieb holte er einen weißen Zettel hervor, den er zweimal entfaltete.
    Die beiden Taufpaten schauten sich an, sie machten einen Schritt in Richtung Gäste, Sebastians Cousin begann: »Wir bitten für das Kind, dass es …«
    Mehr war bei Victors Gebrüll nicht zu

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