Die Bucht der schwarzen Perlen
ja mal den Vorschlag machen. Seit Monaten geht er nicht mehr von seinem Götzenplatz weg, und es geht auch keiner der Dörfler mehr zu ihm hin. Er geht ein wie eine heruntergebrannte Kerze. Aber wenn du mit ihm sprichst, nimm vorsichtshalber Fai'fa mit.«
Diesem Vorschlag war Willmore nach drei Monaten auch gefolgt, aber Nomuka'ta hatte ihn nur stumm angesehen, hatte die Hände wieder über die Augen gelegt und den Kopf gesenkt. Lieber will ich sterben, hieß das.
An dem Abend, an dem Ron zu Willmore ging, um ihm zu sagen, daß er für einige Zeit wegfahren wolle, war es Willmore, der zuerst redete.
Tama'Olu wirtschaftete in der modernen Küche und backte einen Kastenkuchen. Jack Willmore tat sehr feierlich und wichtig, ging vor Ron hin und her und suchte nach Worten.
»Das ist so«, begann er zögernd. »Na ja, als Arzt habe ich ja Schweigepflicht …«
»Idiot!« unterbrach ihn Ron.
»Du kennst doch Lanei'ta.«
»Natürlich, frag nicht so dumm!«
»Sie ist meine ständige Patientin. Hat mal dies, mal jenes. Immer waren ihre Beschwerden harmlos, genaugenommen nichts – bis ich vor zwei Wochen etwas entdeckte …«
Ron wurde sofort ernst und sah Willmore betroffen an.
»Du lieber Himmel, man muß es Tama'Olu sagen!«
»Später, Ron, später.« Willmore hob wie abwehrend beide Hände. »Ich denke noch darüber nach.«
»Ist es so ernst?«
»Ich fürchte, ja.«
»Sie … sie wird nicht mehr lange leben?«
»Mit der Krankheit kann sie uralt werden. Trotzdem …«
»Jack, nun sag es endlich, was du bei ihr entdeckt hast!«
»Nicht nur bei ihr, auch bei mir.« Willmore holte tief Luft. »Ron, wir lieben uns«, stieß er dann hervor.
Einen Augenblick war es still im Raum, aber dann begann Ron zu lachen, so laut, so ungestüm, daß Tama'Olu aus der Küche herausstürzte und nur den Kopf schüttelte. Ron schien sich nicht beruhigen zu können, lachte und lachte und hieb sich dabei auf die Schenkel.
»Was hat er?« fragte Tama'Olu.
»Er ist ein blöder Hund!« Willmore nahm seine nervöse Wanderung wieder auf und war sehr verlegen. »Manchmal ist er unerträglich.«
»Liebling, gib Jack einen Kuß!« japste Ron. »O Gott, mein Bauch tut weh! Jack, so etwas verkündet man nicht unvorbereitet. Schatz, wer da so mit miesem Gesicht herumläuft, ist Jack Willmore, dein zukünftiger Schwager. Er liebt Lanei'ta!«
»Ich weiß«, sagte Tama'Olu ruhig.
»Du weißt es?« riefen die beiden Männer wie aus einem Mund.
»Bei uns gibt es keine Lügen. Bei uns wird alles erzählt. Lanei'ta ist ganz krank vor Liebe. Fatahefi Tápana wartet, daß Jack zu ihm kommt und mit ihm spricht.«
»Und was sagen deine Brüder?«
»Sie sind einverstanden.«
»Sie sind einverstanden! Sie machen keine Schwierigkeiten!« Willmore raufte sich die Haare. Sehr theatralisch sah das aus. »Aber sie brauchen ihre Speere nicht in der Hand zu wiegen – ich habe Lanei'ta bisher nicht angerührt.«
»Das weiß ich.«
»Auch darüber sprecht ihr?« stammelte Willmore fassungslos.
»Wir sagen uns alles. Es gibt keine Geheimnisse.«
»Das Paradies, Jack, da hast du es«, sagte Ron gemütlich. »In Reinkultur. Jeden Hüpfer macht die ganze Familie mit.«
»War's bei dir vielleicht genauso?«
»Ja. Ich habe geglaubt, daß Tama und ich uns heimlich lieben – dabei wußte es bereits das ganze Dorf.«
»Es ist ernst, Ron, bestimmt, es ist mir todernst. Ich will sie heiraten, richtig heiraten, und sie nicht nur ›meine Frau‹ nennen, wie du's mit Tama'Olu machst.«
»Ich nehme an, du willst nach Pangai zurück, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit.«
»Vergiß, was ich vor einem halben Jahr gesagt habe.« Willmore schielte zum Wandschrank hinüber, hinter dessen Tür leise ein kleiner Kühlschrank summte.
»Ich glaube, ich habe einen Whisky verdient.«
»Du wirst gleich zwei brauchen, Jack.« Ron ging zu Tama'Olu und legte den Arm um ihre Schultern. Erstaunt blickte sie zu ihm auf. »Nächste Woche geht's auf See – nach Tahiti.«
Tama'Olu zuckte unter seiner Umarmung zusammen. Ängstlich sah sie zu ihm hoch. »In … in die andere Welt?«
»Ja, mein Engel. Wir werden Möbel kaufen, schöne Kleider für dich, Benzin und Gas, Preßluftflaschen, Werkzeuge, Kartons voll Dosen mit Zucker, Gewürzen, Mehl, Backpulver, Hefe …«
»… und Windeln, einen Schnuller, Babywäsche …«, ahmte Willmore ihn nach.
»Vielleicht. Auch daran sollte man denken. Wir werden zwei Monate wegbleiben, und so lange gehört die Insel dir als
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