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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Funktionalität
    übergehen, das mehr das Wie als das Was bewertet.
    Anders steht es mit der intertextuellen Ironie. Außer in
    Fällen, in denen es um die Suche nach Plagiaten oder nach
    unbewußten intertextuellen Echos geht, präsentiert sich
    eine Literatur, die mit Zitaten spielt, gewöhnlich als eine
    Herausforderung des Lesers durch einen Text (um nicht
    von den Intentionen des Autors zu sprechen), der ge-
    wissermaßen dazu auffordert, sein dialogisches Geheimnis
    zu entdecken.
    Als Autor von Romanen, die gern und viel mit
    intertextuellen Zitaten spielen, bin ich immer froh, wenn
    der Leser die Bezugnahme oder den Wink versteht; doch
    auch wenn man die Wünsche des empirischen Autors
    beiseite läßt – wer immer zum Beispiel in der Insel des
    vorigen Tages Anspielungen auf die Geheimnisvolle Insel von Jules Verne gefunden hat (etwa die anfängliche Frage,
    ob es sich um eine Insel oder um Festland handelt), muß
    wünschen, daß auch die anderen Leser diesen
    augenzwinkernden Wink des Textes bemerken.
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    Natürlich ist, wenn hier intertextuelle Ironie vorliegt,
    dies gerade deshalb der Fall, weil auch die Lektüre
    derjenigen als legitim anerkannt werden muß, die hier
    lediglich die Geschicke eines Schiffbrüchigen verfolgen,
    der nicht weiß, ob er vor einer Insel oder einem Festland
    Schiffbruch erlitten hat. Aufgabe des ästhetisch versierten
    Lesers ist es, die Entscheidung zu treffen, daß auch die
    erste Lektüre aus eigener Kraft legitim ist und daß der
    Text sie zuläßt. Wenn ich im selben Roman einen
    Doppelgänger einführe, nehme ich hin, daß es Leser gibt,
    die sich wundern und sich über die scheinbar unmotivierte
    Situation erregen, aber ich hoffe auf Leser, die sich
    bewußt machen, daß die Präsenz eines Doppelgängers in
    einem barocken Roman obligatorisch ist.
    Wenn im Foucaultschen Pendel der Erzähler Casaubon
    seine letzte Nacht in Paris zu Füßen des Eiffelturms
    verbringt, erscheint ihm dieses Bauwerk von unten
    gesehen wie ein monströses Wesen, und er fühlt sich von
    ihm fast hypnotisiert. Um diese Seiten zu schreiben, habe
    ich zwei Dinge getan: Einerseits habe ich mehrere Nächte
    unter dem Turm verbracht, bemüht, mich genau in die
    Mitte zwischen seine »Beine« zu stellen und ihn aus allen
    möglichen Blickwinkeln zu betrachten, immer von unten
    nach oben. Andererseits habe ich mir aber auch alle
    literarischen Texte zusammengesucht, die über den Eiffel-
    turm geschrieben worden sind, besonders zur Zeit seiner
    Erbauung, meist indignierte und wütende Ablehnungen,
    und was mein Protagonist sieht und hört, ist eine stark
    zusammengedrängte Collage sehr vieler Poesie- und
    Prosafragmente. Ich erwartete nicht, daß meine Leser all
    diese Zitate erkennen würden (ich selbst kann sie heute
    nicht mehr genau identifizieren und auseinanderhalten),
    aber sicher wünschte ich mir, daß die versierteren Leser
    den Schatten eines déjà vu verspürten. Zugleich ermög-275
    lichte ich dem naiven Leser, die gleichen Eindrücke zu
    empfinden, die ich unter dem Turm gehabt hatte, auch
    wenn er nicht wußte, daß sie von so viel vorangegangener
    Literatur genährt worden waren.
    Es ist zwecklos, sich verbergen zu wollen, daß zwar
    nicht der Autor, wohl aber der Text den intertextuell
    beschlagenen Leser gegenüber dem naiven privilegiert.
    Intertextuelle Ironie betreibt eine Art »Klassenauslese«. Es
    kann eine snobistische Lektüre der Bibel geben, die sich
    damit begnügt, nur den wörtlichen Sinn zur Kenntnis zu
    nehmen oder allenfalls die rhythmische Schönheit des
    hebräischen Textes oder der Vulgata zu schätzen (womit
    sie freilich den ästhetisch versierten Leser ins Spiel
    bringt), aber es kann keine snobistische Lektüre eines
    Textes mit intertextueller Ironie geben, die sein
    dialogisches Element ignoriert. Intertextuelle Ironie ruft
    die happy few zusammen – nur daß diese sich bei ihr um so glücklicher fühlen, je weniger sie sind.
    Sobald ein Text die Mechanik der intertextuellen Ironie
    in Gang setzt, muß er sich freilich darauf gefaßt machen,
    daß er nicht nur die vom Autor gewollten Bezüge
    produziert, denn die Möglichkeit einer doppelten Lektüre
    hängt ja vom Umfang der Textkenntnis des Lesers ab, also
    vom Umfang seiner Belesenheit, und dieser Umfang kann
    je nach Fall variieren. Auf einem Kongreß in Löwen, im
    Jahre 1999, hat Inge Lanslots scharfsinnige Beobach-
    tungen über viele Anspielungen auf Jules Verne gemacht,
    die sich durch die Insel

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