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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einer bloßen Erfindung
    sein könnte, so wie die des Großen Plans, den sie
    zusammenbasteln, kommentiert Casaubon: Toi, apocryphe
    lecteur, mon semblable, mon frère .10 Ich erinnere mich 9 In der deutschen Ausgabe des Foucaultscben Pendels lautet die Stelle auf S. 442: »Man muß argwöhnen, immer nur argwöhnen.«
    (A. d. Ü.)
    10 Dt. S. 236 (A. d. Ü.).
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    nicht mehr, woran ich beim Schreiben dachte, wahr-
    scheinlich genügte mir die intertextuelle Beziehung zu
    Baudelaire, die schon durch den Verweis auf die
    apokryphen Evangelien angereichert war. Linda Hutcheon
    definiert nun jedoch die Stelle als eine »parody of
    Baudelaire by Eliot« (tatsächlich zitiert T. S. Eliot, wenn
    Sie sich erinnern, diesen Vers in The Waste Land ), und sicher wird die Anspielung damit noch reichhaltiger. Was
    machen wir also? Teilen wir die Leser auf in solche, die
    nur bis zu Baudelaire gelangen, und solche, die bis zu
    Eliot vordringen? Und was ist, wenn es einen Leser gäbe,
    der zwar den heuchlerischen Leser bei Eliot gefunden hat,
    aber nicht weiß, daß Eliot hier Baudelaire zitiert?
    Alle haben bemerkt, daß der Name der Rose mit einem
    Zitat des Johannesevangeliums beginnt (»Im Anfang war
    das Wort« usw.). Aber wie viele haben bemerkt, daß
    dieser Anfang auch als ein Zitat des Anfangs von Luigi
    Pulcis Ritterepos Il Morgante Maggiore 11 gelesen werden kann, das mit einer respektvollen Verbeugung vor dem
    Evangelisten Johannes beginnt ( In principio era il verbo
    appresso a Dio / ed era Iddio il verbo e U verbo lui. /
    Quest’era nel principio a parer mio / e nulla sipuò far
    sanza costui )?
    Doch genau bedacht, wie viele Leser haben wirklich
    bemerkt, daß mein Roman mit einem Zitat des Johannes-
    evangeliums beginnt? Ich habe japanische Leser gefunden
    (und vielleicht braucht man gar nicht so weit in die Ferne
    zu gehen), die jene tiefen Gedanken dem guten Adson
    zugeschrieben haben, und trotzdem ist ihnen nicht die

    11 Komisch-heroisches Epos in Stanzen über die Helden des
    Karolingerzyklus, erschienen 1483 in Florenz (A. d. Ü.).
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    religiöse Inspiration entgangen, die aus den Worten des
    alten Mönches spricht.
    Der Grund ist, um genau zu sein, daß intertextuelle
    Ironie, technisch gesehen, keine Form von Ironie ist.
    Ironie besteht dann, nicht das Gegenteil der Wahrheit zu
    sagen, sondern das Gegenteil dessen, wovon man
    annimmt, daß der Gesprächspartner es für wahr hält. Es ist
    Ironie, eine dumme Person als hochintelligent zu
    definieren, aber nur, wenn der Adressat weiß, daß sie
    dumm ist. Weiß er es nicht, wird die Ironie nicht erkannt,
    und man liefert ihm nur eine falsche Information.
    Infolgedessen wird Ironie, wenn der Adressat sich des
    Spiels nicht bewußt ist, zur bloßen Lüge.
    Was dagegen die intertextuelle Ironie angeht, so kann
    ich die Geschichte eines Doppelgängers erzählen, ohne
    daß der Adressat die Bezugnahme auf den barocken Topos
    heraushört, und dennoch wird er nicht weniger Genuß an
    der altehrwürdigen und wörtlich abgeschriebenen
    Doppelgängergeschichte haben. In der Insel des vorigen
    Tages gibt es einige überraschende Handlungsum-
    schwünge, die klar auf Dumas verweisen, und manchmal
    ist das Zitat sogar wörtlich, aber der Leser, der es nicht
    erkennt, kann sich trotzdem, wenn auch naiv, an dem
    schönen Theatercoup delektieren. Wenn ich also vorhin
    gesagt habe, intertextuelle Ironie sei snobistisch und
    aristokratisch, muß ich mich hier korrigieren, denn sie
    schließt den naiven Leser nicht aus: Sie ist wie ein
    Festmahl, bei dem im Erdgeschoß die Reste der im
    Obergeschoß aufgetragenen Speisen verteilt werden, aber
    nicht die Reste auf den Tellern, sondern die in den
    Schüsseln, die gleichfalls gut aufgetragen worden sind,
    und da der naive Leser glaubt, es gebe nur ein Fest im
    Erdgeschoß, genießt er die Speisen als das, was sie sind
    (und sie sind alles in allem schmackhaft und reichlich),
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    ohne zu ahnen, daß jemand anders schon mehr davon
    gehabt hat.
    Ganz ähnlich ist es ja auch, wenn jemand naiv das Sonett
    Tanto gentile e tanto onesta pare 12 liest, ohne zu wissen, wie stark sich die Wortbedeutungen seit Dante verändert
    haben und welche philosophischen Voraussetzungen seine
    Dichtung hatte. Er erfreut sich bloß an einer schönen
    Liebeserklärung und zieht dennoch großen Gewinn
    daraus, sowohl emotional wie intellektuell. Woran man
    sieht, daß meine kulinarische Analogie vielleicht provo-
    zierend war, aber nicht beabsichtigte,

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