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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Kunst und Gastro-
    nomie auf eine Stufe zu stellen.
    Schließlich kann nicht einmal der naivste Leser durch
    die Maschen des Textes schlüpfen, ohne den Verdacht zu
    schöpfen, daß der Text bisweilen (oder oft) über sich
    hinausweist. Wobei sich dann zeigt, daß intertextuelle
    Ironie nicht nur keinen Ausschluß bewirkt, sondern im
    Gegenteil eine Aufforderung und Einladung zum
    Einschluß darstellt, die stark genug ist, auch den naiven Leser allmählich in einen zu verwandeln, der das Aroma
    der vielen anderen Texte wahrzunehmen beginnt, die dem,
    den er liest, vorausgegangen sind.
    Gibt es Beziehungen zwischen intertextueller Ironie und
    dem biblischen oder danteschen Höheren Sinn? Einige.
    Intertextuelle Ironie liefert säkularisierten Lesern, die
    keinen spirituellen Sinn mehr im Text suchen, einen
    intertextuellen Höhersinn. Die biblischen und poetischen
    Höhersinne der Theorie des vierfachen Schriftsinns ließen
    den Text in die Vertikale wachsen, jeder Sinn näherte sich
    ein Stück mehr einem höheren Jenseits. Der intertextuelle

    12 Dantes berühmtes Huldigungssonett an Beatrice in Kap. 26 seines Jugendwerks Vita Nova (A. d. Ü.).
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    Höhersinn ist horizontal, labyrinthisch, rhizomatisch und
    unendlich, er geht von Text zu Text immer weiter – wobei
    es keine andere Verheißung gi bt als das fortwährende
    Gemurmel der Intertextualität. Intertextuelle Ironie setzt
    einen absoluten Immanentismus voraus. Sie liefert den-
    jenigen Offenbarungen, die den Sinn für die Transzendenz
    verloren haben.
    Nicht ernst nehmen würde ich allerdings diejenigen, die
    nun moralisierend den Schluß zögen, intertextuelle Ironie
    sei die Ästhetik der Gottlosen. Sie ist eine Technik, die
    auch von einem Werk aktiviert werden kann, das einen
    spirituellen Höhersinn inspirieren will oder das sich als
    hohe moralische Lehre präsentiert oder das von Tod und
    vom Unendlichen zu sprechen weiß. Remo Ceserani hat
    die Güte gehabt zu bemerken, daß mein angeblicher
    Postmodernismus nicht frei von einem Sinn für Melan-
    cholie und Pessimismus sei.13 Ein Zeichen dafür, daß
    intertextuelle Ironie nicht um jeden Preis einen gedanken-
    losen Karneval des Dialogismus voraussetzt. Aber gewiß
    verlangt sie, so gequält der Text auch immer sein mag, daß
    der Leser sich das Gewisper der Intertextualität vergegen-
    wärtigt, die unseren Qualen vorangegangen ist, und daß
    Autor und Leser sich auch im mystischen Corpus der
    Nichtheiligen Schriften zu vereinigen wissen.

    13 »Eco e il postmoderno consapevole«, in Raccontare il postmoderno , Turin, Bollati Boringheri, 1997, S. 180 – 200.
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    Die aristotelische Poetik und wir1
    Erlauben Sie mir als einem Italiener, die Frage der
    aristotelischen Poetik in Form von Bekenntnissen eines Kindes meiner Zeit anzugehen. Die italienische Kultur hat
    die großen Aristoteles-Kommentatoren der Renaissance
    hervorgebracht, und in der Barockzeit war es Emanuele
    Tesauro, der mit seinem Cannocchiale aristotelico die Welt der nachgalileischen Physik wieder auf die
    poetischen Theorien des Aristoteles als den einzigen Weg
    zur Lösung der Probleme der Humanwissenschaften
    verwies. Doch schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist
    die italienische Kultur durch jene Scienza nuova von Vico befruchtet worden, die jedwede aristotelische Vorschrift in
    Frage stellte, um von einer Sprache und einer Dichtung zu
    sprechen, die sich außerhalb aller Regeln entwickeln.
    Während man in Frankreich – von Boileau bis Batteux,
    von Le Bossu bis Dubos und sogar bis zur Encyclopédie –
    noch dabei war, zusammen mit den Regeln des Ge-
    schmacks die Regeln der Tragödie zu suchen, öffnete Vico
    ungewollt das Tor zu einer Philosophie und einer
    Sprachwissenschaft und einer Ästhetik der unvorher-
    sehbaren Freiheit des Geistes.
    Nicht der von Adel und Klassik geprägte esprit im
    französischen Sinne ist hier gemeint, sondern der

    1 Gekürzte Fassung des Hauptreferats auf dem Kongreß »Les
    stratégies contemporaines d’appropriation de l’Antiquité« im
    Oktober 1990 an der Sorbonne. Die Kongreßakten sind erschienen unter dem Titel Nos grecs et leurs modernes , ed. Barbara Cassin, Paris, Seuil, 1992.
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    romantische und hegelianische Geist 2, der sich durch und in der Geschichte verwirklicht und selber Geschichte ist.
    Daher war unsere Kultur hundert Jahre lang, vom Idealis-
    mus des 19. Jahrhunderts bis zu Croce, von der Ablehnung
    jeder Rhetorik und jeder Poetik beherrscht. In

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