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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und
    reinen Erhebung der Seele« (die Schönheit) durch eine
    entsprechende Strukturierung erreicht wird, und dem
    Leser vor Augen führen, wie das Werk »Schritt für Schritt
    mit der Präzision und strengen Folgerichtigkeit eines
    mathematischen Problems seiner Vollendung entgegen-
    geht«, wenn man auf eine Einheit des Eindrucks (die
    materiell die Zeiteinheit eines Leseakts ist), des Themas
    und der emotionalen Tonart achtet.
    Der Skandal dieses Textes besteht darin, daß sein Autor
    die Regeln darlegt, mit deren Hilfe es ihm gelungen ist,
    den Eindruck von Spontaneität zu erzeugen, und genau
    diese Lehre ist es, die uns auch die Poetik des Aristoteles entgegen jeder Ästhetik des Unsagbaren erteilt. Dieselbe
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    aristotelische Lehre findet sich in dem späthellenistischen
    Text Vom Erhabenen des sogenannten Pseudo-Longinos,
    der gewöhnlich als eine Verherrlichung des ästhetischen
    je-ne-sais-quoi angesehen wird. Der Text will zwar über einen poetischen Effekt sprechen, der sich nicht auf
    rationale oder moralische Überzeugung gründet, sondern
    auf ein Gefühl des Staunens, das sich als Ekstase und
    Blitzschlag äußert. Doch schon auf der ersten Seite erklärt
    der Autor, er wolle nicht nur den Gegenstand seiner Rede
    definieren, sondern auch sagen, durch welche Mittel dieser
    Effekt erzeugt werden kann. Daher folgt im zweiten Teil
    eine detaillierte Analyse der rhetorischen Strategien, die
    ins Werk gesetzt werden müssen, um durch definierbare
    Vorgehensweisen diesen nicht definierbaren Effekt zu
    erzielen.
    In gleicher Weise geht Poe vor, nur ist seine Philosophy
    of Composition ein ebenso faszinierender wie mehr-
    deutiger Text: Handelt es sich um Anweisungen für andere
    Dichter oder um eine implizite Theorie der Kunst im
    allgemeinen, extrapoliert aus einer persönlichen Schreib-
    erfahrung durch einen Autor, der sich als kritischer Leser
    seines eigenen Werks betätigt?
    Die fruchtbare Ambiguität dieses Textes hat Kenneth
    Burke bemerkt, der Poes Essay von Anfang an in explizit
    aristotelischen Begriffen angeht.3 Wenn es darin eine
    Disziplin namens Poetik gibt, dann hat sie nichts zu tun
    mit einer Kritik, die als kommerzieller Ratschlag für den
    Leser oder als Verteilung von Lob und Tadel verstanden
    wird. Sie muß sich mit einer der Dimensionen von

    3 »Poetics in Particular, Language in General«, in Poetry , 1961, sowie in Language as Symbolic Action , Berkeley, Univ. of California Press, 1966.
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    Sprache befassen, und in diesem Sinne ist sie der eigent-
    liche Gegenstand des Kritikers, so wie Dichtung der
    Gegenstand des Dichters ist. »Eine Annäherung an
    Dichtung in Begriffen von Poetik ist eine Annäherung in
    Begriffen der Natur jener Dichtung als Gattung (eine
    Spezies und literarische Form).«
    In diesem Sinne nähert sich Burkes Definition der-
    jenigen der Prager Schule, für die Poetik die Disziplin ist,
    welche die »Literarizität« der Literatur erklärt, das heißt
    die Frage, warum ein literarisches Werk als solches
    bezeichnet werden kann.
    Burke weiß sehr wohl, daß der Versuch, literarische
    Vorgehensweisen und Regeln zu definieren, wie
    geschehen dazu führen kann, eine deskriptive Wissen-
    schaft in eine normative zu verwandeln. Dennoch kann die
    Poetik sich nicht der Pflicht entziehen, Anleitungen oder
    Gebote zu formulieren, die in der Praxis des Dichters
    implizit sind, auch wenn er sich ihrer nicht bewußt ist.
    Poe war sich ihrer durchaus bewußt, und folglich
    arbeitete er als philosophus additus artifici . Vielleicht hat er sie sich erst nachträglich klargemacht und beim
    Schreiben noch nicht gewußt, was er tat, aber als Leser
    seiner selbst hat er dann begriffen, warum sein Gedicht
    The Raven den Effekt produziert, den es produziert, und warum wir es schön finden. Die Analyse, die der Autor
    Poe macht, hätte ein Leser wie Roman Jakobson machen
    können. Indem er eine Schreibpraxis zu definieren ver-
    sucht, für die ihm sein eigenes Gedicht als Beispiel dient,
    hat Poe Strategien beschrieben, die das künstlerische
    Schaffen im allgemeinen charakterisieren.
    Poes Essay ist aristotelisch in seinen Ausgangs-
    prinzipien, in seinen Zielen, in seinen Ergebnissen und in
    seiner Ambiguität. Lubomir Doležel hat sich die Frage
    gestellt, ob die aristotelische Poetik ein Werk der Kritik ist 291
    (das auf Bewertung des Werks zielt, über das sie spricht)
    oder eines der Poetik, das wie gesagt darauf abzielt, die
    Bedingungen der Literarizität zu

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