Die Bücher und das Paradies
sich in Amerika gegen die Sprache der herrschenden
Klasse durchgesetzt, und die amerikanische Literatur habe
das Englische zu einer neuen Volkssprache verwandelt.
Dazu paßt, daß Pavese zur Übersetzung einiger Stellen
von Faulkner auf den piemontesischen Dialekt zurück-
gegriffen hatte. Eine seiner Ideen war, daß es eine
Affinität zwischen dem amerikanischen Mittelwesten und
Piemont gebe. Ein weiteres Mal also Gramscis Idee des
»National-Populären«, nur wird diesmal die Sprache nicht
im Arno gewaschen, sondern im Mississippi.
(Sprechen wir hier nicht von simpler Pidginisierung,
sondern besser von Kreolisierung.)
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So kämpfte die Generation, die Pavese und Vittorini
gelesen hatte, im Partisanenkrieg, oft in den kommuni-
stischen Brigaden, feierte die Oktoberrevolution und die
charismatische Figur von »Väterchen Stalin« und blickte
zugleich fasziniert und obsessiv auf ein Amerika als Inbild
und Inbegriff von Hoffnung, Erneuerung, Fortschritt und
Revolution.
Vittorini und Pavese waren bei Kriegsende reife
Erwachsene, fast vierzigjährig. Die zweite Generation
meines Freskos umfaßte dagegen Jugendliche, die in den
zwanziger Jahren geboren waren. Viele von ihnen
erreichten die Volljährigkeit am Ende des Krieges als
Marxisten.
Ihr Marxismus war nicht der von Vittorini und Pavese,
der vollkommen identisch mit dem Befreiungskampf und
dem Abscheu vor den faschistischen Diktaturen war, mehr
ein Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit als eine bestimmte
Ideologie. Für die zweite Generation war der Marxismus
eine Praxis der politischen Organisation und des
philosophischen Engagements. Ihr Ideal war die
Sowjetunion, ihre Ästhetik der sozialistische Realismus,
ihr Mythos die Arbeiterklasse. Politisch in Gegnerschaft
zu Amerika als ökonomisch-politischem System, sympa-
thisierte sie mit verschiedenen Aspekten der ameri-
kanischen Sozialgeschichte, mit dem »wahren Amerika«,
unter dem sie das der Pioniere und der ersten anarchischen
Opposition verstand, das »sozialistische« Amerika eines
Jack London und eines John Dos Passos.
Gerade deshalb hat die offizielle marxistische Kultur
sogar in den schärfsten Zeiten des Kampfes gegen
McCarthy dem Geist der Americana nie völlig abge-
schworen, auch nicht als Vittorini die KPI aufgrund
ideologischer Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Chef
Togliatti verließ.
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Gleichwohl ist das, was uns hier interessiert, eine andere
Seite dieser zweiten Generation, die sowohl innerhalb wie
außerhalb der beiden marxistischen Parteien jener Zeit –
der kommunistischen und der sozialistischen
– leben
konnte und deren Definition so vage und ungenau klingen
würde, daß ich mich gezwungen sehe, eine narrative
Willkürentscheidung zu treffen. Ich setze mir eine fiktive
Person zusammen, die ich Roberto nennen will. Unter den
Angehörigen der Klasse, als deren Vertreter er sich
versteht, mag es neunzigprozentige Robertos und zehn-
prozentige Robertos gegeben haben. Meiner wird ein
hundertprozentiger Roberto sein. Vielleicht gab es unter
den Mitgliedern des Zentralkomitees der KPI nicht viele
Robertos; aber mein Roberto lebte eher im außer-
parteilichen Gelände der kulturellen Aktivitäten, der Ver-
lage, Kinematheken, Zeitungen, Konzerte, und gerade in
diesem Sinne war er kulturell sehr einflußreich.
Geboren sein könnte Roberto zwischen 1926 und 1931.
Aufgewachsen im Faschismus, war sein erster Akt der
Revolte (natürlich unbewußt) die Lektüre der aus dem
Amerikanischen (schlecht) übersetzten Comic strips. Flash
Gordon gegen Ming war für ihn das erste Bild des
Kampfes gegen die Tyrannei. Der Mann mit der Maske
war zwar ein Kolonialist, aber statt den Eingeborenen im
bengalischen Dschungel westliche Modelle aufzuzwingen,
suchte er die ebenso weisen wie uralten Traditionen der
Bandar zu bewahren. Topolino (wie bei uns Mickey
Mouse heißt) als Journalist, der sich mit korrupten
Politikastern herumschlägt, um das Überleben seiner
Zeitung zu sichern, war für Roberto die erste Lektion über
Pressefreiheit. 1942 verbot Mussolinis Regierung die
Sprechblasenstreifen, und wenige Monate später unter-
drückte sie auch die amerikanischen Protagonisten:
Topolino wurde durch Toffolino ersetzt, der keine Maus
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mehr war, sondern ein Mensch, auf daß die Reinheit der
Rasse erhalten bliebe. Man fing an, die alten Hefte
heimlich zu sammeln. Ein sanfter und weher Protest.
1939 war der Ringo in Stagecoach
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