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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die
    Zeitschrift Primato zu versammeln, indem er auf ihren Seiten Raum für ein Maximum an situationskompatiblem
    Dissens bot. Unter den Mitarbeitern von Primato finden wir nicht nur die Repräsentanten des liberalen Anti-316
    faschismus (Montale, Brancati, Paci, Contini, Praz),
    sondern auch die Blüte der künftigen kommunistischen
    Kultur: Vittorini, Alicata, Argan, Banfi, Della Volpe,
    Guttuso, Luporini, Pavese, Pintor, Pratolini, Zavattini und
    so weiter.
    Man ist frappiert, wenn man entdeckt, daß im Februar
    1941 ein brillanter junger Intellektueller wie Giaime
    Pintor in der Zeitschrift einen Aufsatz über die »Robo-
    tisierung« des deutschen Soldaten veröffentlichen konnte,
    in dem er betonte, daß Europa nie wieder ein freies
    Territorium sein würde, solange es vom düsteren Schatten
    der germanischen Fahnen beherrscht blieb. Aufgewachsen
    unter dem Faschismus, entwickelte Giaime Pintor Tag für
    Tag, Artikel für Artikel eine luzide und couragierte Kritik
    der europäischen Diktaturen. 1943, wenige Monate vor
    seinem Tod im Partisanenkrieg gegen die deutsche Be-
    satzung, schrieb er einen Aufsatz über den Unterschied
    zwischen Amerika und Europa, den er damals nicht
    publizieren konnte. Darin heißt es:
    … Deutschland hat sich in der Reflexion mehr und mehr als die
    natürliche Antithese dieser Welt [gemeint ist Amerika] präsentiert und in einem weiteren Sinne als ihr Spiegel in Europa. Kein Volk steht dem amerikanischen näher durch die Jugend des Blutes und die Reinheit der Wünsche, und kein Volk feiert mit solch anders-gearteten Worten die eigene Legende. Die Wege der Korruption
    und die der Reinheit sind auch hier furchterregend nahe
    beieinander; doch ein anhaltender Wahn zerrt die Deutschen von ihrer Straße, um sie in schwierige und entmenschende Abenteuer zu stürzen.
    Im selben Text heißt es weiter:
    Auf der einen wie auf der anderen Seite bemühen sich starke
    Kräfte, den Gang unserer Erfahrungen zu korrigieren, uns als
    unnützen Abfall in eine Ecke zu werfen oder heil an irgendein
    Ufer zu bringen. Doch Amerika wird diesen Krieg gewinnen, denn sein anfänglicher Elan gehorcht wahreren Kräften, und was es sich vornimmt, hält es für leicht und richtig. Keep smiling , ›Bewahre 317
    dir dein Lächeln‹, dieser Friedens-›Slogan‹ kam aus Amerika mit einem ganzen Gefolge von aufbauender Musik, als Europa ein
    leeres Schaufenster war und die den totalitären Ländern auf-
    gezwungene Sittenstrenge nur das verbitterte und verzweifelte
    Antlitz der faschistischen Reaktion enthüllte. Die extreme
    Simplizität des amerikanischen Optimismus mochte damals jene
    abstoßen, die überzeugt waren, daß man die Trauer als Zeichen der Menschlichkeit tragen müsse, und jene, die den Stolz auf die
    eigenen Toten über das Heil der eigenen Lebenden stellten. Doch der große Stolz, den Amerika auf seine heutigen Söhne empfindet, ist das Bewußtsein, daß sie den steilsten Weg der Geschichte
    gegangen sind, daß sie die Gefahren und Fallen einer fast pausen-losen Entwicklung vermieden haben. Die Bereicherung und die
    bürokratische Korruption, die gangsters und die Krisen, all das ist Natur geworden in einem Körper, der wächst. Und dies allein ist die Geschichte Amerikas: ein Volk, das wächst, das mit seinem
    anhaltenden Enthusiasmus die begangenen Irrtümer zudeckt und
    die künftigen Gefahren in gutem Willen erlöst. Die feindlichsten Kräfte konnten sich auf amerikanischem Boden begegnen,
    Krankheiten und Elend; aber der Mittelwert dieser Gefahren und Ängste war stets eine Positivität, wiederholte jedesmal die
    Verherrlichung des Menschen.
    Schwer lastet auf der amerikanischen Kultur die Dummheit einer Phrase: materialistische Zivilisation. Produktive Zivilisation: dies ist der Stolz einer Rasse, die ihre Kräfte nicht irgendwelchen ideologischen Strebungen geopfert hat und nicht in die Falle der
    »geistigen Werte« gegangen ist; statt dessen hat sie aus der
    Technik ihr Leben gemacht, hat erlebt, wie neue Affekte aus der täglichen Praxis der kollektiven Arbeit entstehen und neue
    Legenden aus den eroberten Horizonten wachsen. Was immer die
    romantischen Kritiker denken mögen, eine so zutiefst revolu-
    tionäre Erfahrung ist nicht ohne Worte geblieben; und während
    man im Nachkriegseuropa die Themen einer dekadenten Kultur
    wiederaufnahm oder sterile Formeln adoptierte, wie die surrea-
    listische, denen keinerlei Zukunft beschert sein kann, drückte Amerika sich in einer neuen

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