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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die
    entstehende Chemie durch die Halluzinationen über das
    Phantasma des Steins der Weisen erhalten hat? Was von

    17 Conjectures and Refutations , 4.
    365
    der Fiktion des Phlogistons oder von der des kosmischen
    Äthers?
    Vergessen wir für einen Moment, daß einige dieser
    falschen Erzählungen positive Effekte, andere Schrecken
    und Schande erzeugt haben. Alle haben etwas bewirkt, im
    Guten wie im Bösen. Nichts ist unerklärlich an ihrem
    Erfolg. Problematisch ist eher die Antwort auf die Frage,
    wie es uns gelungen ist, sie durch andere Erzählungen zu
    ersetzen, die wir heute für wahr halten. In einem Essay
    über Fälschungen und Nachahmungen bin ich vor einigen
    Jahren zu dem Schluß gekommen, daß es zwar Mittel und
    Wege gibt, empirische wie solche der Mutmaßung, um zu
    prüfen, ob ein Objekt echt oder falsch ist, daß aber jede
    Entscheidung darüber den Glauben voraussetzt, daß es ein
    echtes und wahres Original gibt, mit dem man die
    Fälschung vergleichen kann. Das wahre Erkenntnis-
    problem liegt somit nicht in der Prüfung, ob etwas falsch
    ist, sondern im Nachweis, daß das als echt geltende Objekt
    auch tatsächlich echt ist.
    Diese so selbstverständlich klingende Überlegung darf
    uns indessen nicht zu dem Schluß verleiten, es gebe kein
    Kriterium der Wahrheit und als falsch entlarvte Erzäh-
    lungen seien gleichwertig mit solchen, die wir heute für
    wahr halten, da beide zur literarischen Gattung der narra-
    tiven Fiktion gehörten. Es gibt eine Praxis der Veri-
    fizierung, die sich auf die geduldige, kollektive und öffent-
    liche Arbeit dessen gründet, was Charles Sanders Peirce
    die Community nannte. Und kraft des menschlichen Glaubens an diese Gemeinschaft können wir mit einer
    gewissen Ruhe sagen, daß die Donatio Constantini eine Fälschung war, daß die Erde sich um die Sonne dreht und
    Sankt Thomas zumindest wußte, daß sie rund ist.
    Allenfalls muß die Erkenntnis, daß unsere Geschichte
    von vielen Erzählungen bewegt worden ist, die wir heute
    366
    als falsch erachten, uns wachsam machen und befähigen,
    unermüdlich gerade diejenigen Erzählungen in Frage zu
    stellen, die wir heute für wahr halten, denn das Kriterium
    der Weisheit einer Gemeinschaft beruht auf der ständigen
    Wachsamkeit gegenüber der Fehlbarkeit unseres Wissens.
    Vor ein paar Jahren erschien in Frankreich ein Buch des
    Philosophen Jean-François Gautier mit dem Titel
    L’unwers existe-til? 18 Gibt es das Universum? Gute Frage.
    Was, wenn das Universum nur eine Einbildung wäre, so
    wie der kosmische Äther, das Phlogiston oder die
    Verschwörung der Weisen von Zion?
    Gautiers Argumentation war philosophisch wohlfundiert.
    Die Idee des Universums, als Totalität des Kosmos,
    kommt aus den ältesten Kosmographien, Kosmologien
    und Kosmogonien. Aber kann man etwas beschreiben, als
    ob man es von außen sähe, wenn wir selbst darin
    enthalten, selber ein Teil davon sind und es nicht verlassen
    können? Kann man das Universum geometrisch be-
    schreiben, wenn es keinen Raum außerhalb von ihm gibt,
    in den man es projizieren kann? Kann man von einem
    Anfang des Universums sprechen, wenn ein zeitlicher
    Begriff wie der des Anfangs sich auf das Parameter einer
    Uhr beziehen muß, während das Universum höchstens die
    Uhr seiner selbst ist und sich auf nichts beziehen läßt, was
    außer ihm liegt? Kann man mit Eddington sagen, »rund
    hundert Milliarden Sterne konstituieren eine Galaxie; rund
    hundert Milliarden Galaxien konstituieren das Univer-
    sum«, wenn, wie Gautier bemerkt, eine Galaxie ein
    beobachtbares Objekt ist, das Universum aber nicht, so
    daß man eine unerlaubte Analogie zwischen zwei in-
    kommensurablen Größen herstellt? Kann man das Uni-

    18 Arles, Actes Sud, 1994.
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    versum postulieren und dieses Postulat dann mit
    empirischen Mitteln untersuchen, als wäre es ein Objekt?
    Kann ein singuläres Objekt existieren (zweifellos das
    singulärste von allen), dessen Charakteristikum darin
    besteht, nur ein Gesetz zu sein? Und wenn die Geschichte
    des Urknalls bloß eine ebenso phantasievolle Erzählung
    wäre wie die der Gnosis, nach welcher das Universum aus
    dem Lapsus eines ungeschickten Demiurgen entstanden
    ist?
    Genau besehen wiederholt diese Kritik der Vorstellung
    vom Universum Kants Kritik der Vorstellung von der
    Welt.
    Wenn man bedenkt, daß jemandem der Verdacht, die
    Sonne drehe sich nicht um die Erde, in einem bestimmten
    Moment der Geschichte ebenso verrückt und

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